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Kriege in Kurpfälzer Zeit, die Ingelheim in Mitleidenschaft zogen


Autor: Hartmut Geißler

nach Burger, Häusser, Petry

Sehr ausführlich und nach vielen Notizen aus 1944 verbrannten Haderbücher bei Saalwächter, Nieder-Ingelheim und seine Geschichte, 1910, S. 31ff. (Bibl. Carolina Sign. Dek 1)


In viele Kriege der frühen Neuzeit wurden die Ingelheimer Orte allein durch ihre Zugehörigkeit zur Kurpfalz verwickelt; aber vor allem das 17. Jahrhundert mit seinen verheerenden Kriegen (Dreißigjähriger und die Kriege Ludwigs XIV.) hätte den Ingelheimer Grund auch als Reichsland gewiss nicht unverschont gelassen.

Den Anfang machen jedoch zwei kurze kriegerische Ereignisse, die Ingelheim aufgrund dieser Zugehörigkeit zur Kurpfalz betrafen (Nr. 1):

1. Die Mainzer Stiftsfehde: Der Kampf von Diether von Isenburg mit Adolf von Nassau um das Erzbistum und mit der Kurpfalz (Ingelheim: 1460 und 1463)

Es folgten:

2. Der bayerische Erbfolgekrieg / Landshuter Krieg (1504)

3. Schmalkaldischer Krieg

4. Der Dreißigjährige Krieg

5. Der Pfälzer Erbfolgekrieg unter Ludwig XIV.


1. Die Mainzer Stiftsfehde (1460 und 1463)
 

Burger, BIG 34, S. 72 beschreibt die Ereignisse, soweit sie Ingelheim betrafen:

"Zwischen dem am 18. Juni 1459 zum Erzbischof von Mainz gewählten Grafen Diether von Isenburg-Büdingen und dem Pfalzgrafen Friedrich dem Siegreichen ... waren Streitigkeiten über die Gerichtsbarkeit bei Lorch entstanden, die zu offener Fehde führten. Zwischen dem 24. und 28. Mai 1460 erschien eine mainzische Schar in Ingelheim und brannte das Dorf (= Nieder-Ingelheim) nieder.

Die Besatzung des Saals hatte das nicht hindern können, hielt aber die Tore verschlossen und richtete sich auf eine Belagerung ein. Auf die Nachricht aber, daß der Pfalzgraf mit einem Heere nahe, in Wirklichkeit war er erst bis Oppenheim gekommen, rückten die Belagerer in aller Eile ab. Sogar ihre Geschütze sollen sie im Stiche gelassen haben. Der Krieg war damit freilich nicht zu Ende.

Auch die schwere Niederlage, die Friedrich der Siegreiche dem Erzbischof Diether und dessen Verbündeten bei Pfeddersheim zufügte, brachte keine endgültige Entscheidung. Denn aus den beiden Gegnern wurden nun Bundesgenossen. Erzbischof Diether hatte sich mit Papst Pius II. überwarfen, wurde von diesem abgesetzt und Domherr Adolf von Nassau zu seinem Nachfolger ernannt. Diether beruhigte sich hierbei nicht - und wieder sollten die Waffen entscheiden. Die pfälzische Besatzung des Saals, die bisher die Anhänger Diethers, des Feindes ihres Herren, hatte bekämpfen müssen, stand nun, nachdem Pfalzgraf Friedrich und Erzbischof Diether sich zur Niederringung Adolfs verbunden hatten, auf Seiten Diethers und geriet damit in Streitigkeiten mit der Besatzung der Festung Gau-Algesheim, die auf Adolf von Nassau geschworen hatte.

Hierdurch kam es zu Plänkeleien, von denen die Chronik von Bingen uns eine schildert. Danach "kamen anno 1463 auf Purificationes Mariae etlich aus dem Volk, das zu Ingelheim im Saale lag vor Algesheim.

Dieses gewahr werdend, begaben sich ihrer bei 50 heraus, streiften ihnen nach, die von Ingelheim stellten sich zur Wehr, erstachen der Algesheimer 10 Mann und 24 nahmen sie gefangen, bekamen 17 Armbrust und 3 Handbüchsen. Diese 24 Personen mußten geben 300 Gulden, daß sie ledig wurden.

Nieder-Ingelheim hat in diesem Kriege trotz des Sieges eines bedeutenden Fürsten, der das Pfälzerland groß gemacht hat, schwer gelitten. Ein großer Teil der außerhalb des Saals stehenden Gehöfte wurde vom Feinde niedergebrannt. Namentlich scheint dem Belzen, dem Kern des eigentlichen Dorfes, ein solches Schicksal widerfahren zu sein. Das bei der dortigen Kirche stehende Heiliggeisthospital ( d.h. das Spital, für dessen Finanzen Sebastian Münsters Vater zuständig war; Gs) ging in Flammen auf und lag noch 1472 in Trümmern. Ein Regierungsbefehl hatte nämlich die Wiedererbauung der abgebrannten Gehöfte untersagt, um die Ansiedlung in den sicheren Mauern des Saals zu fördern. Auch andere Häuser blieben als "verheerte Flecken" liegen, und die Not der Zeit haftete noch lange in der Erinnerung."

In diesem Zusammenhang kam es durch List und Verrat 1462 zur grausamen Eroberung von Mainz durch die Schweizer und Rheingauer Truppen Adolfs von Nassau. Dadurch verloren die Stadtbürger die meisten ihrer vorher errungenen Freiheitsrechte, Mainz wurde zur Residenzstadt der Erzbischöfe. (Gs)
 

2. Der bayerische Erbfolgekrieg/Landshuter Krieg (1504)

Burger, BIG 34, S. 74 ff: "Vierzig Jahre Friedenszeit folgten dem Streite um den Mainzer Bischofssitz - vierzig Jahre, aus denen wir nicht hören, ob und wie die Festung Ingelheim besetzt war. Anzunehmen aber ist, daß während dieser Zeit die Mauerwerke wieder in Stand gesetzt und auch die Gebäude des alten Kaisersaals, da sie ja jetzt zu Wohnzwecken genutzt wurden, nicht ganz zerfielen. Wohl fallen in diese vierzig Jahre Auseinandersetzungen zwischen Kurpfalz und Kurmainz, wie die um das Kranenrecht in Weinheim, die manchmal ernsten Charakter annahmen. Aber schließlich wurden sie doch immer wieder, wenn man auch in den einander zugesandten Briefen die drohendste Sprache führt, durch friedliche Übereinkunft entschieden. Die Festung Ingelheim lag in Ruhe und wurde, nachdem sie noch einmal die Feuerprobe bestehen mußte, allmählich als solche aufgegeben. Diese Feuerprobe wurde nicht so sehr den Mauerwerken der Festung als deren Bewohnern auferlegt.

Es war im Bayerisch-Pfälzischen Erbfolgekrieg (1504 - 1505). Am 1. Dezember 1503 war Georg der Reiche von Bayern-Landshut gestorben. Dieser hatte keine männlichen Nachkommen und darum seine Tochter Elisabeth, die mit dem Pfalzgrafen Ruprecht, einem Sohne des Kurfürsten Philipp (reg. 1476 - 1508) vermählt war, zur Alleinerbin eingesetzt. Kaiser Maximilian aber versagte diesem Testament seine Genehmigung und unterstützte damit die Erbansprüche seines Schwagers Albrecht von Bayern-München. Da Versuche, die Angelegenheit auf gütlichem Wege aus der Welt zu schaffen, ergebnislos blieben, mußten wieder einmal die Waffen entscheiden. Gegen die Pfalz sammelte sich nun alles, was noch aus früheren Zeiten Groll hegte. Nicht weniger als 164 Fürsten und Städte übersandten Fehdebriefe - der für Kurfürst Philipp gefährlichste Gegner darunter war Landgraf Wilhelm II. von Hessen, der Vater Philipps des Großmütigen. Der Kurfürst von der Pfalz und alle, die ihm helfen wollten, wurden in die Reichsacht erklärt. So begann der Krieg unter für den Kurpfälzer ungünstigsten Bedingungen. Wohl rüstete auch er. Das Amt Oppenheim hatte 250 (nach einer anderen Quelle 376) Mann zu stellen, dazu elf Reiswagen, zwei Proviantwagen und zwei Streitwagen. Aber mit größerer Macht, als sie der Kurfürst zusammenbrachte, gedeckt durch die Berufung, Vollstrecker der Reichsacht zu sein, zog der Landgraf durch Oberhessen an den Rhein, den er bei Weisenau überschritt. Niedergebrannte kurpfälzische Dörfer auf dem linken Rheinufer zeigten den Weg, den sein Heer genommen. Über Kreuznach und Bingen, dazwischen wurde zur Freude der Binger auch das kurpfälzische Münster, dem Kurfürst Philipp einen Markt gegeben hatte, der dem Binger Wirtschaftsleben großen Abtrag tat, niedergebrannt, zog das Heer des Landgrafen nun Mainz zu.

Auf dem Wege lag Ingelheim mit der berühmten alten Pfalz. Der „Saal“ war ringsum mit Mauer, Turm und Graben wohl befestigt. Im Burgbezirk standen einige Bauernhütten. Die anderen Bauern flüchteten sich mit Weib und Kind hinter die sicheren Mauern. Als nun die Pfälzer von den Türmen die hessischen Scharen, in dichte Staubwolken gehüllt, sich nähern sahen, ließen sie die Tore der Pfalz offen, bereiteten aber in fester Entschlossenheit alles zum Empfang des Feindes vor. Die Geschütze stellten sie an klug gewählten Plätzen auf, so daß sie Tore und Vorraum bestreichen konnten. Die Hessen näherten sich noch in Ordnung. Doch als sie die Tore offen sahen und keinen Laut vernahmen, hofften sie auch hier auf gefahrlose Plünderung und drangen in dichten Haufen ein. Schon preßten sich die Beutegierigen durch das zweite Tor, da stürzt gellendes Kriegsgeschrei und krachendes Geschützfeuer sie in völlige Verwirrung. Von Mauern und Türmen spielt das versteckt gehaltene Geschütz in den wilden Haufen. Die Tore schließen sich, und von den Mauern ringsum schleudern die Verteidiger ihre Geschosse auf die Eindringlinge oder treffen sie mit sicher gezielten Armbrustbolzen. Der Rest der Hessen flieht.

Nun läßt der erzürnte Landgraf seine Kriegsmaschinen auffahren. Aber die unerschrockenen Verteidiger erkennen sofort, daß es gar nicht dazu kommen darf und machen Auffahren und Einbau der Geschütze mit den wohlgezielten Steinkugeln ihrer Bombarden unmöglich. Schließlich fanden viele der Plünderer im Dorf das wohlverdiente Ende. Denn die Frauen standen den Männern von Ingelheim an Mut nicht nach. Sie eilten in dem allgemeinen Wirrwarr unbemerkt ins Dorf und steckten es mit eigener Hand an allen Ecken in Brand. Die Hessen hätten dasselbe getan, aber erst nach gründlicher Plünderung. So trieb sie die Habgier in die brennenden Häuser, und mancher wurde von stürzenden Balken erschlagen oder im Keller zusammenbrechender Häuser elend erstickt..."

Burger folgte in dieser Schilderung wahrscheinlich Ludwig Häusser, der 1845 in seiner "Geschichte der rheinischen Pfalz", sich auf Trithemius berufend, auf den Seiten 478f schrieb .: "Er (d. h. der Landgraf von Hessen; Gs) wandte sich gen Ingelheim, der alten Königspfalz Karls des Großen; sie war jetzt ein pfälzisches Dorf und in die Wände des alten Kaisersaales hatten die Bauern ihre Habe geflüchtet; Thürme, Mauern und Gräben umgaben den Ort; man konnte sich hier militärisch vertheidigen. Die Landleute thaten es mit Muth und Geschicklichkeit; sie ließen die Thore offen stehn und als die Hessen arglos hereinstürzten - in der Meinung, die Veste sei leer - donnerte von allen Seiten das innen aufgestellte Geschütz auf sie los, und kostete Vielen das Leben. Die Wohnungen, die außerhalb des Saales standen, ließen die Bauern durch ihre Weiber anzünden; viele Hessen eilten beutegierig herein und fanden in den Flammen ihren Tod. Indessen hätten die muthigen Vertheidiger des alten Kaisersaales doch einer längeren Belagerung schwerlich widerstehen können; drum war es ein Glück, daß Landgraf Wilhelm sich rheinaufwärts gegen Mainz wandte."

Demgegenüber berichtet Sebastian Münsterdavon nur erstaunlich knapp, ohne Erwähnung der spektakulären Einzelheiten von Trithemius:


"Im Jahre 1504 zog Landgraf Wilhelm (von Hessen) gegen Ingelheim und brannte das Dorf (wahrscheinlich wieder Nieder-Ingelheim um Remigiuskirche und Belzer) nieder. Und nachdem er manchen schweren und teuren Schuss auf den Saal abgefeuert hatte und diesen entgegen seinen Absichten nicht einnehmen konnte, zog er mit Verlusten ab."

Man fragt sich, ob Sebastian Münster die Belagerung des Jahres 1504 noch selbst als etwa 16jähriger Augenzeuge miterlebt hat - dann wundert hier die undramatische Kürze seiner Angaben. Oder sind ihm die Ereignisse, die er - allerdings 40 Jahre später! - in der Cosmographie berichtet, später durch andere, z. B. Verwandte, so mitgeteilt worden? Denn 1504 lebte er möglicherweise schon nicht mehr in Ingelheim, sondern war bereits beim Studium in Heidelberg. Oder war das Geschehen gar nicht so spektakulär, wie es Trithemius beschrieben hat?

In einem seiner Briefe an Jodocus Beisel (Epist. ad famil. Hagan. 1536, S. 30) schrieb er, dass der Landgraf, bevor er nach Ingelheim zog, bei Kreuznach sein Lager aufgeschlagen hatte, dort ebenfalls Verwüstung und Plünderung verbreitete und auch sein Kloster angezündet habe. Trithemius verließ ungefähr ein Jahr später (1505 oder 1506) das Kloster wegen unüberbrückbarerer Gegensätze zwischen ihm und den Mönchen.

Wie auch immer, eines scheint festzustehen: Das unbefestigte Nieder-Ingelheimer Bauerndorf bei dem befestigten Saal wurde im Zuge der Kriegshandlungen 1504 niedergebrannt.


3. Der Schmalkaldische Krieg

"Dagegen erlebte im sogenannten schmalkaldischen Kriege, einer Begleiterscheinung der lutherischen Kirchenreformation, auch Ingelheim wieder Truppendurchmärsche, die für die Bevölkerung nicht ohne Nachteile waren. Dem Schicksal, unmittelbar in die Kriegshandlungen mit eingezogen zu werden, entging Ingelheim nur dadurch, daß der Landesherr, Kurfürst Ludwig V. (1508 - 1544), obwohl katholisch geblieben, sich an die Seite der evangelisch gewordenen Fürsten des schmalkaldischen Bundes stellte und damit nicht Gegner des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, der mit seinem Heere an den Rhein gekommen war und im Bistum Mainz große Verwüstungen angerichtet hatte, war." (Burger, BIG 34, S. 78)


4. Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648)

In diesem drei Jahrzehnte dauernden europäischen Krieg entluden sich bekanntlich viele lange aufgestaute Konfessionskonflikte, aber auch der Kampf zwischen Reichsfürsten und Habsburger Kaiser um die Macht im Reich sowie die Konkurrenz mehrerer auswärtiger Staaten um den Einfluss in Europa, insbesondere von Schweden und Frankreich. Dadurch dass der erst 23 Jahre alte Pfälzer Kurfürst Friedrich V. auf Anraten seiner Räte unter Leitung Christians von Anhalt die ihm angebotene böhmische Königswahl gegen die Habsburger annahm, wurde die Pfalz und damit auch Ingelheim in das Zentrum dieses verheerenden Krieges hineingezogen.

Hier kann nicht im entfernten die Geschichte des Scheiterns dieses "Winterkönigs" und die Geschichte des Krieges im Allgemeinen nachvollzogen werden; es sollen, soweit möglich, nur die Auswirkungen auf den Ingelheimer Grund dargestellt werden.

Burger schreibt dazu (S. 78):

"Für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) fehlen uns für Ingelheim leider die Chroniken. Wir wissen so nur wenig, in welcher Form dieser unheilvolle Krieg, der großes Elend über weite Bezirke Deutschlands brachte, sich auf unsere Gegend ausgewirkt hat."

Für die gesamten kurpfälzischen Lande, für das Oberamt Kaiserslautern und für Heidelberg selbst nennt Schmidt (S. 448) folgende Bevölkerungsverluste:

- Kurpfalz - über 80 Prozent
- Kaiserslautern - 90 Prozent
- Heidelberg - 95 Prozent

Auch Schaab (Band 2, S.121) rechnet mit Verlusten in der gesamten Rheinpfalz von 75-80%, sodass man wohl auch für die Flecken des Ingelheimer Grundes von recht hohen Bevölkerungsverlusten ausgehen muss.

Zu den religiösen Auswirkungen im Einzelnen siehe: Konfessionsstreitigkeiten

Schon im August 1620 waren multinationale Truppen unter dem Italiener Marchese Ambrogio Spinola im Dienst der spanischen Krone mit 20.000 Fußsoldaten und 4.000 Kavalleristen aus den spanischen Niederlanden rheinaufwärts gezogen und hatten mit den pfälzischen Orten Kreuznach, Alzey und Oppenheim auch das Selztal mit Ingelheim besetzt. Zu Spinolas Feldzug in der Unteren Pfalz 1620 siehe Schmuck, S. 179-184).

Ein spanischer Unterführer, Johann der Jüngere von Nassau-Siegen, nahm Winterquartier in "Ingelheim", wie Petry vermerkt. Ingelheim hatte unter dieser Besatzung zwar gewiss zu leiden, wurde aber nicht so verwüstet wie Engelstadt, Essenheim und (Ober-) Saulheim. (Schmuck, S. 183)

Zehn Jahre blieben nun die Spanier faktisch die Herren im linksrheinischen Teil der Kurpfalz und regierten von Kreuznach aus. Die Bevölkerung des Ingelheimer Grundes wurde rekatholisiert und litt unter den Übergriffen der spanischen Besatzungstruppen, in Ober-Ingelheim wurde das evangelische Pfarrhaus verwüstet und die Gemeinden gerieten wegen der Kontributionen an die Spanier in immer größere Finanznöte.

Kaiser Ferdinand II. dachte nach der Ächtung des Pfälzer Kurfürsten zeitweise an die Übergabe der Reichspfandschaft von Oppenheim mit dem Ingelheimer Grund an das katholische Kurmainz.

Petry (S. 228) versetzt sich in die Lage der calvinistisch gewordenen Ingelheimer und lässt sie sich fragen, ob sie in dieser Situation noch weiterhin auf dem überkommenen Status der Reichsunmittelbarkeit bestehen sollten, wo doch die Habsburger eine eindeutig katholische Politik verfolgten. Oder sollten sie sich eine der beiden Besatzungsmächte des Kurpfälzer Territoriums als neuen Herren wünschen, Maximilian von Bayern rechtsrheinisch oder die Spanier linksrheinisch, auch beide ausgesprochen katholisch?

Jedenfalls gehören in diesen Zusammenhang zwei Ereignisse, einmal eine Privilegienbestätigung vom 10. Januar 1623 durch Kaiser Ferdinand II., der den beiden Ingelheim, Groß-Winternheim und den zugehörigen Orten ihre Privilegien bestätigte. Dieser diplomatischer Akt fiel in die Anfangsphase des Regensburger Fürstentages (7.1.1623 - 25.2.1623), als noch nicht entschieden war, ob die bisherige Rheinpfalz an Bayern fallen sollte. Möglicherweise wollte die Reichsregierung Ferdinands damit zegen, dass sie gegenüber der Ingelheimer Reichspfandschaft handlungsfähig bleiben wollte. Die Urkunde befand sich nach Krämers Regesten von 1919 damals noch im Archiv des Ingelheimer Reichs- u. Rittergerichts in der Bibliothek des Hist. Vereins Ingelheim und liegt heute, gut restautriert, im Stadtarchiv (Rep I, 5857).

Wahrscheinlich war es auch die spanische Verwaltung, die 1628 eine steinerne Inschriftentafel an der Mauer zur Schaffnerei im Saal anbringen ließ, auf der mit Zitaten aus Sebastian Münsters Cosmographie auf die große Vergangenheit der ehemaligen Pfalz ("Palast") hingewiesen wurde, wahrscheinlich doch, um die vorher reformierte Bevölkerung des pfälzischen Ingelheimer Grundes auf die Seite der neuen katholischen Herrscher zu ziehen.

Seit 1626 gingen auch die Spanier daran, den Katholizismus in ihrem Einflussbereich zu stärken. Mit dem Einfall der lutherischen Schweden in Deutschland (1630) endete jedoch die spanisch-katholische Epoche; sie überschritten den Rhein bei Oppenheim, nahmen am 23.12.1631 Mainz ein; Bingen wurde übergeben, so dass der Ingelheimer Grund seit dem Winter 1631/32 für vier Jahre unter schwedische Herrschaft geriet. Als Generalstatthalter des Ober- und Niederrheinischen Reichskreises wurde vom schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna der Wild- und Rheingraf Otto ernannt, mit Sitz in Mainz. Es entfiel nun jede Ausübung konfessionellen Zwanges.

Das Ende der Schwedenherrschaft kam 1634/35, obwohl eine schwedische Besatzung weiterhin in Mainz blieb. Ein Teil der schwedischen Truppen unter Bernhard von Weimar zog sich in Richtung Frankreich zurück. Zusammen mit französischen Truppen - Frankreich trat nun offen in den Krieg ein - versuchte dieser im Juli 1635 wieder von Bingen nach Mainz vorzurücken; die Franzosen mussten sich jedoch im September wieder von Mainz in Richtung Kreuznach zurückziehen - beide Truppenbewegungen erfolgten wieder durch Ingelheim.

Als die Schweden im Dezember 1635 in Mainz kapitulieren mussten, konnten sie für ihre erkrankten und verwundeten Offiziere und Soldaten eine vier- bis sechswöchige Unterkunft und Pflege in den Spitälern beider Ingelheim erreichen. Auch wenn Ingelheim von 1636 bis 1639 ohne Besatzung gewesen zu sein scheint, wurden die Einwohner doch von weiteren Pestwellen (nach 1624 besonders 1635/36) sowie einer Missernte (1637) heimgesucht, die einen starken Bevölkerungsrückgang mit sich brachten.

In einem Stundungsgesuch für den Weinzehnten vom Oktober 1637 geht hervor, dass Ingelheim damals "sehr armselig und ganz ausgeblündert" war. Saalwächter berichtet, dass der Winter 1635 wurde besonders hart gewesen sei, so dass viele Ingelheimer auswanderten, z. B. nach Frankfurt, um sich durch Schanzarbeiten Geld zu verdienen. Marodierende Soldaten plünderten, es gab immer wieder quälende Einquartierungen.

Weitere Einzelheiten finden sich bei Burger, BIG 34, S. 80:
"Die Ober-Ingelheimer Kirche und das Schulhaus daselbst waren noch 1653 in einem verwahrlosten Zustand. Fußböden waren herausgerissen und Tische, sowie Bänke verbrannt worden. Dasselbe wird uns von der Kilianskirche in Nieder-Ingelheim berichtet, während die Frei-Weinheimer Kirche, wie es in einem Bericht des Nieder-Ingelheimer Collektors Hermann Schmitz heißt, „im Kriegswesen gar abgebrannt und von newen zu bauen" ist. Leider fehlen uns bei diesen Angaben die näheren Daten. Dagegen gestattet eine andere Nachricht eine etwas genauere Datierung. Für einen Sprößling der adligen Familie von Ingelheim, der am 10. September 1627 in Ober-Ingelheim geboren war, wurde am 3. Januar 1650 durch Conrad Emericus Susenbeth, Notar in Ober-Ingelheim, ein Geburtszeugnis ausgestellt. Da das Kirchenbuch durch Plünderung verloren gegangen, Papiere der Eltern durch Brand vernichtet worden waren, mußten drei Zeugen für die eheliche Geburt des Kindes einstehen."

In dieser Situation suchte die Ritterschaft des Ingelheimer Grundes, die katholisch geblieben war, 1638 am Kaiserhof in Wien um die Bestätigung ihrer alten Privilegien nach, wohl um nach dem Verlust der kurpfälzischen Landesherrschaft Schutz durch den Kaiser selbst zu erhalten.

Von Prag aus wurde nach dem baulichen Zustand des Saales und des Karlsstiftes darin gefragt, was der Mainzer Nicolaus Lindenmayr in zwei Briefen tat, in denen er u. a. auf die Zerstörungen der Saalkirche durch die Schweden verwies. Aber weder der Kaiserhof noch der abgesetzte Pfälzer Kurfürst Karl (oder Carl) Ludwig von seinem Exil in Holland aus konnten die Rheinpfalz in ihre Hand bringen, denn in den 40er Jahren wurde unsere Region Kampfplatz von bayrischen, spanischen und französischen Truppen. Die Ingelheimer mussten erneut schwere Kontributionen zahlen.

Saalwächter (BIG 9, S. 28) erzählt aus den Jahren 1642/43:
Das Regiment Königseck wollte ganz in Ober-Ingelheim logieren, wurde aber infolge eines dem Regimentsquartiermacher verabreichten Geschenkes von 6 fl. geteilt. Das Regiment zu Fuß des Obristen Lucas wurde gegen ein Geschenk von einem Fuder und einem halben Ohm Wein nach Nieder-Ingelheim abgeschoben. Von Kreuznach kam des Hennigs Regiment nach Ober-Ingelheim. Es lag hier von Dezember 1642 bis Februar 1643 und ging dann nach Mainz. Ihm folgten zwei Regimenter Wahlische Völker. In der Umgegend lag das Bärische Regiment. Alle Orte von einiger Bedeutung hatten ständige Kommandos, wie die Burg zu Stadecken, Ober-Ingelheim, der Saal zu Nieder-Ingelheim, Gau-Odernheim und viele andere Orte. Von 1643-1648 lag im Saale ein Hauptmann Beretsen, in Diebach 1649 ein Rittmeister, in Monzingen ein Leutnant, in Kirchheim-Bolanden der Obrist Weingarten. Die Briefboten der beiden Ingelheim waren dauernd zur Briefbestellung unterwegs. Die französischen Besatzungstruppen des nördlichen Rheinhessens rückten sogar erst im Mai 1650 ab, zwei Jahre nach dem Westfälischen Friedensschluss. Dieser Frieden wandelte auch die bisherige Reichspfandschaft Oppenheim/Ingelheim in ein vollwertiges Territorium der wieder hergestellten Rheinpfalz um.

Kein Wunder, dass sich der Ingelheimer Grund mit seinen Orten sich in einem Zustand allgemeiner Verwilderung, Verwüstung und Verschuldung befand; das Schulwesen lag darnieder und es herrschte eine starke Bevölkerungsfluktuation von Menschen, die auf der Suche nach Arbeit und Nahrung waren.


5. Der Pfälzer Erbfolgekrieg (1688 - 1697)

Ein weiteres Mal wurde der Ingelheimer Grund in einen auf andere Weise verheerenden Krieg hineingezogen, und zwar den des französischen Königs Ludwig XIV., angeblichum die Erbfolge in der Pfalz, in Wirklichkeit jedoch um die Ausdehnung der Macht Frankreichs bis an den Rhein. In dessen Folge wurden viele Orte und Burgen der Kurpfalz von den Franzosen unter General Mélac systematisch zerstört. Häusser, Bd. 2, S. 780, erwähnt 1845 auch Ingelheim unter den verwüsteten Orten:

"So wurden die Orte am Hardtgebirge schwer heimgesucht, Neustadt ganz ausgepreßt, Wachenheim verbrannt, Frankenthal, Alzei und Bretten unter schmählicher Mishandlung der Zerstörung und dem Brande preisgegeben, zu Sinsheim, Wiesloch, Bacharach, Ingelheim ging es nicht besser..."

Diese Information wird gestützt durch den Vermerk auf einer Landkarte von 1762 von Wilhelm C. Buna, Tractus Hunnorum... Dort findet sich neben dem Ort Nieder-Ingelheim der Hinweis: "Exusta a Gallis 1689" - verbrannt von den Franzosen 1689. Ähnlich auch neben anderen Orten der von den Franzosen damals zerstörten Orte und Burgen.

Auch das Standardwerk von Kurt von Raumer über die Zerstörung der Pfalz von 1689, erschienen 1930 (!), verweist auf eine etwas zweifelhafte Handschrift eines Christian Teutschmuth (!) von 1690 über Ludwig XIV. (der "Frantzösische Attila"), die Ingelheim (Ober- und Nieder-Ingelheim) unter den zerstörten Orten aufzählt. Das ist jedoch zweifelhaft (Gs).

Stadt und Burg Bingen jedenfalls wurden von den französischen Truppen, die Quartier in Ober-Ingelheim genommen hatten, im Mai und Juni 1689 systematisch verbrannt, nur wenige Gebäude blieben unbeschädigt.

Burger, BIG 34, S. 84, vermutete 1949, also in der Zeit der französischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg, was Ingelheim angeht:
"Ob in dem pfälzischen Erbschaftskrieg (1688 - 1697) auch Ingelheim der Vernichtung anheimfiel, die über die Pfalz verhängt war, und der von Städten Heidelberg, Mannheim, Oppenheim, Worms und viele andere zum Opfer fielen, ist ungewiß. Die Aussagen darüber widersprechen sich. Der Umstand, daß der Graf von Auvergne, der mit 1500 Pferden und 200 Dragonern in Ingelheim Quartier bezog, um befehlsgemäß von hier aus die Einäscherung von Bingen zu leiten und der dort mit größtmöglicher Schonung vorging, läßt darauf schließen, daß Ingelheim glimpflich davonkam."

Wo bezog er in "Ingelheim" Quartier? Wahrsch4inlich in den Adelshöfen Ober-Ingelheims wie ein Jahrhundert später die Führung der französischen Revolutionstruppen? - Das würde wenig über das Schicksal Nieder-Ingelheims und des Saales und seiner Befestigungen aussagen, die nach dem Dreißigjährigen Krieg unter Leitung des Generalmajors von Degenfeld, eines Schwagers des Kurfürsten Karl Ludwig, wieder aufgebaut und nicht unwesentlich verstärkt worden waren.

Saalwächter, 1910, betont auf S. 41 nachdrücklich, dass es keine Beweise für damalige Zerstörungen in den Ingelheimer Orten gab.

Petry fasste das vorhandene Wissen 1964 zusammen (S. 239):
"Für die Hauptorte des Ingelheimer Grundes, zwischen den von den Franzosen ebenfalls besetzten festen Orten Mainz und Bingen gelegen und für die Verpflegung der bis zum September 1689 in Mainz ausharrenden französischen Besatzung nicht gleichgültig, läßt sich eine klare Antwort über die Ausführung des Pariser Zerstörungsbefehles nicht mit jener Entschiedenheit geben, wie sie etwa im Falle von Heidelberg, Mannheim, Alzey oder Oppenheim aus der aktenmäßigen und chronikalischen Überlieferung möglich ist. Der Baubefund mindestens der Häuser von Groß-Winternheim und Ober-Ingelheim deutet eher auf weitgehende Verschonung, welche der in Ingelheim einquartierte französische Reiterkommandant Graf von der Auvergne geübt haben könnte; aus Frei-Weinheim hören wir wohl beredte Klagen über die Zerstörung des Verladekranens, nichts jedoch von einem Niederbrennen der Häuser, und gerade dieser für den Fährbetrieb so wichtige Ort steuerte - im Unterschied zu sonst geübter Widerspenstigkeit - willig mit für Johannes Menck von Ober-Ingelheim, der als Beauftragter des Grundes im Jahre 1690 zum Intendanten nach dem westpfälzischen Homburg geschickt wurde, um eine Übereinkunft wegen der Brandschatzung zu erzielen. Unabhängig jedoch von der Frage der Verschonung, der Teil- oder Total-Zerstörung (möglicherweise mit örtlichen Abstufungen) haben die Bewohner des Selztales in den Jahren des wechselnden Kriegsglückes bis zum Ryswyker Frieden von 1697 an französischen Kontributionen und sonstigen Eingriffen noch genug erlebt, um dieses letzte Jahrzehnt des kriegerfüllten 17. Jahrhunderts in denkbar schmerzlicher Erinnerung zu behalten."

Saalwächter berichtete im Rheinhess. Beobachter vom 18. Juli 1920 über die Verkäufe von Glocken der Ober-Ingelheimer Kirche in Frankfurt, "um das Jahr 1693", was wahrscheinlich nötig war, um die Kriegskontributionen an die Franzosen zahlen zu können.

 

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Gs, erstmals: 13.10.06; Stand: 19.02.24