unter besonderer Berücksichtigung der 2. Auflage von 1545
Autor: Hartmut Geißler
nach Karl Heinz Burmeister
Die "Cosmographie" ist heutzutage das berühmtes Werk Sebastian Münsters, das lange nach seinem Tode noch herausgegeben wurde. Zu seinen Lebzeiten war er jedoch bekannt durch seine Veröffentlichungen zu den semitischen Sprachen, als deren Dozent er in Basel angestellt war. An der Cosmographie konnte er deshalb nur in seiner knapp bemessenen Freizeit arbeiten, schrieb Artikel aus Büchern heraus und bat viele Zeitgenossen in lateinischen Briefen um Material, vor allem um Illustrationen. Umso höher ist sein enormer Fleiß einzuschätzen, der in diesem Werk steckt.
Im Internet findet man mittlerweile mehrere digitalisierte Exemplare der Cosmographie verschiedener Auflagen,
und zwar
a) deutsche:
- 1545, hrsg. von der Universität Düsseldorf: digital.ub.uni-duesseldorf.de/content/titleinfo/193012 (mit einer sehr guter Übersicht zum Finden bestimmter Kapitel) - dieselbe Auflage, die hier auch überwiegend verwendet wird;
- 1550, hrsg. von der Universität Köln: www.digitalis.uni-koeln.de/Muenster/muenster_index.html
- 1553, hrsg. von der Universität Düsseldorf: digital.ub.uni-duesseldorf.de/content/titleinfo/194702 (mit einer sehr guter Übersicht zum Finden bestimmter Kapitel)
- b) lateinische, 1552, im letzten Lebensjahr Sebastian Münsters, hrsg. von der portugiesischen Biblioteca Nacional Digital: purl.pt/13845/3/index.html - 1572. auch von der rumänischen Nationalbibliothek
- c) französische, 1575, hrsg. von der Bibliothèque nationale de France, in drei Bänden: gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54510n.image.f2 (Band I, 1 mit Inhaltsverzeichnis) gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k53517t.image.f1 (Band I, 2) gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k535572 (Band II) - (Mit Dank für die Hinweise von Reiner Leusch)
Diese Liste von Links wird nicht weiter komplettiert werden, da sich solche digitalisierte Ausgaben, u.U. auch bessere und schneller ladende, heute leicht mit den Suchmaschinenen finden lassen.
Inhalt dieser längeren Darstellung der Cosmographie:
1. Zielsetzung, Aufbau und Inhalt der Cosmographie
2. Die großen Landkarten an ihrem Beginn
3. Die Welt nach der Schöpfungsgeschichte und nach Ptolemaios
4. Die Beschreibung von "Teutschland"
5. Ihre Gestaltungsprinzipen
6. Phasen der Arbeit Sebastian Münsters
7. Ihre Nachwirkungen
1. Zielsetzung, Aufbau und Inhalt der Cosmographie
Sehr viel hatte sich Sebastian Münster mit diesem Werk vorgenommen, denn er wollte damit eine "Beschreibung der ganzen Welt" vorlegen, eine Art früher Enzyklopädie.
"Münster will das Gesicht seiner Zeit darstellen: 'regionem, civitatem, aedificia, artificia, arbores, vetustates, facies insignium hominum, genealogias regum et principum', eine Aufzählung, die er in vielen Briefen in ähnlicher Form wiederholt und die auch im Titel der Cosmographie wiederkehrt." (Burmeister 1963, S. 160). Er vergleicht sie deswegen mit dem Typ des "Hausbuches" im 19. Jahrhundert.
Ihre Texte und Bilder befassen sich vor allem
- mit geographischen,
- historischen,
- aber auch mit völkerkundlichen,
- botanischen
- und zoologischen Themen.
Dies zeigen schon die Texte ihrer Titelseiten:
Titelblatt der Cosmographie von 1545 (2. Auflage) Historischer Verein Zum transkribierten Text | Titelblatt der Cosmographie von 1628 (21. Auflage) Sebastian-Münster-Gymnasium Zum transkribierten Text |
Die folgende Darstellung wählt einiges aus der 1545er Ausgabe (oben links) aus, denn den ganzen Inhalt der Cosmographie auf diesen Webseiten darzustellen, würde den Rahmen völlig sprengen - und dies erst recht, wenn ein Vergleich mit späteren, immer weiter vermehrten und erheblich verbesserten Auflagen angestrebt würde.
Schon die Auflage von 1550 wurde von Münster - zwei Jahre vor seinem Tode - neu bearbeitet und stellt die Grundlage der posthumen Auflagen bis 1628 dar.
Da ihm auch nach 1550 noch weiteres Material zugesandt wurde, dachte Münster sogar an einen zweiten Band, der aber nicht realisiert wurde. Dieses weitere Material wurde erst 20 Jahre nach seinem Tode teilweise in neue Auflagen einbezogen, vielleicht weil dann erst sein Nachlass zugänglich wurde.
Während die 1545er Auflage noch 818 römisch gezählte Seiten enthielt (ohne Register und ohne die großen Eingangstafeln), ist sie bis zur letzten Auflage des Jahres 1628 auf 1752 (!) Seiten angeschwollen, hat sich also mehr als verdoppelt.
Der Inhalt der Auflage von 1545:
- 14 Seiten Register (sehr hilfreich!)
- 22 doppelseitige Landkarten mit je einem Titel-Vorblatt
- Buch 1: über die Welt, ihre Vermessung, Ptolemaios, eine Menschheitsgeschichte nach der biblischen Überlieferung, bisherige Kaisertümer
- Buch 2: Erklärung einiger Landkarten, Europa, britische Inseln, Spanien, Frankreich und Italien
- Buch 3: Geschichte und Beschreibungen von Deutschland
- Buch 4: Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Ungarn, Polen, Litauen, Russland, Moskowiter, Balkan, Griechenland mit Byzanz, Türken
- Buch 5: Asien, d.h. die ägäischen Inseln, Kleinasien, Heiliges Land, Arabien Mesopotamien, Persien, Tataren, Indien, Zeylon, Sumatra, wenig über China; von S. 764 bis 773 "von den neüen inseln" (= das hier noch nicht so genannte Amerika)
- Buch 6: Afrika, insbesondere Nordafrika, Ägypten, Libyen, Äthiopien
Diese 2. Auflage von 1545 wurde mit einem Register von 1008 Stichwörtern ausgestattet, das hier auf einer umfangreichen Sonderseite angesehen werden kann. Wegen der größeren Datenmenge kann deren Laden etwas länger dauern.
Dieses Register gibt die beste Übersicht über die Themen, mit denen sich die Cosmographie befasst, man sollte es sich ausdrucken.
Hier einige Beispiele:
a) geographisch: von "Amorbach" bis "Zweybruck"
b) historisch: von "Alexander der gros" bis "Xerxes künig vonn Persia"
c) völkerkundlich: von "africe beschreybung" bis "türckisch glauben unnd gots dienst"
d) botanisch: von "balsam kraut" bis "wurzeln brot"
e) zoologisch: von "africa hat schädliche thier" bis "zeckenland"
Einige Kuriosa:
- "adams opffel"
- "canibali leüt fresser"
- "einhorn"
- "ffenix vogel"
2. Die großen Landkarten ("Tafeln") an ihrem Beginn
Weltkarten:
Um die Autorität des geographischen Altmeisters Ptolemaeus mit den neuen Erkenntnissen der Entdeckungsfahrten zu versöhnen, druckt Münster kommentarlos beide Weltkarten hintereinander ab, zuerst die der "ganzen" Welt und dann nach Ptolemaeus die "halbe Kugel der Welt".
Europa:
Achtung! Süden ist oben.
Zur Vergrößerung
"Europa das ein drittheil der erden / nach gelegenheit unser zeiten" - was wohl heißen soll, dass Europa ein Drittel der zu seiner Zeiten bekannten Welt ausmache - eine gewaltige eurozentrische Fehleinschätzung!
Westeuropa, Deutschland:
Nach Karten von England, Spanien/Portugal und Frankreich platziert Münster eine Übersichtskarte von "teutschland", dessen Beschreibung (mit über 403 Seiten) zweifellos den inhaltlichen Schwerpunkt der Cosmographie bildet. Johannes Bodinus, Basel, nannte 1576 Münsters Werk deshalb einmal kritisch eine "Germanographie". Und innerhalb Deutschlands überwiegt der südwestliche Bereich, den Münster selbst am besten kannte.
Je weiter entfernt die beschriebenen Weltgegenden lagen, desto mehr ersetzten Vermutungen und Phantasie die Wissenschaftlichkeit, die Münster eigentlich durchaus anstrebte, denn oft musste er sich auf nur wenige und unwissenschaftliche Werke stützen.
Den Schluss der großen Tafeln machen die neu entdeckten "Inseln" der "Nüw Welt"
Vor jeder Länderkarte gibt es ein Doppelblatt mit einer "Vorrede".
Diese hier links leitet zu Deutschland über.
"(Das) neue Deutschland
wie es zu unseren Zeiten beschrieben wird und sich erstreckt über den Rhein und über die Donau. Da es aber eine ganz andere Form bekommen hat, nachdem das Kaisertum darin entstanden ist, wäre es wohl von Nöten, dass ein jegliches Fürstentum und (eine jegliche) Landschaft mit einer Extrakarte beschrieben würde, in Anbetracht der großen deutschen Nation und der Menge der Städte, die nach dem verschobenen Kaisertum darin gebaut sind und auf dieser beengten Karte nicht alle, ja nicht einmal ihr zwanzigster Teil hat aufgenommen werden können. Der Platz reicht nicht aus, wie du merken kannst; wenn du hierin das Elsass anschaust und in dieser Karte suchst, (dann siehst du), wie es ein so kleines Plätzchen einnimmt, wenn man es proportional zu ganz Deutschland darstellt."
Aus: Cosmographia 1545; Foto: Dr. Anton Friedt
Dem mit allegorischen Figuren verzierten Einleitungstext folgt die betreffende Karte, hier eine Deutschlandkarte.
Bei ihr ist der Norden (die Nordsee) unten und die Alpen oben! Im Rheinknie hat Münster gerade noch Mainz ("Mentz") und Bingen unterbringen können.
Für ihn gehörten die heutige Schweiz, das Elsass und Lothringen und die Niederlande noch selbstverständlich zu "Deutschland". Cosmographie 1545
Die folgenden Tafeln haben u.a. die skandinavischen Länder, Ost- und Südeuropa zum Inhalt, aber auch das Heilige Land und Indien sowie die "neuen Inseln" Amerikas.
Der neu entdeckte Kontinent Amerika ist in den ersten Auflagen zwar auf der neuen Weltkarte ganz gut eingezeichnet und namentlich erwähnt (bezogen auf Südamerika), er ist auch auf der letzten der großen Tafeln mit einer eigenen Karte vertreten, hat aber 1545 noch kein eigenes "Buch" erhalten, sondern wird nur relativ kurz nach den Reisenbeschreibungen von Kolumbus und Vespucci unter den "neuen Inseln", die die Spanier entdeckt hätten, als Teil Asiens abgehandelt.
3. Die Welt nach Schöpfungsgeschichte und nach Ptolemaios
Die eigentlichen Beschreibungen der Cosmographie beginnen mit einer seltsamen Mischung aus antikem Wissen, vor allem von Ptolemaios, und biblischer Schöpfungsgeschichte, z.B. Arche Noah.
Als stilistisches Beispiel hier die Seite 1.
In diesem Zusammenhang fügt Münster auch einiges über Berechnungstechnik der Landvermessung und der astronomischen Höhenmessung ein.
4. Die Beschreibung von "Teutschland"
Die Beschreibung der deutsche Landschaften, Fürstentümer und Städte beginnt ausführlich in der Schweiz, und zwar im Schweizer Wallis, das Münster selbst erkundet hatte.
Dann beschreibt er Deutschland gleichsam in vier Streifen von West nach Ost, jeweils im Süden beginnend. Die Achse des ersten Streifens bildet der ihm (jedenfalls bis Ingelheim) bestens bekannte Rhein, dessen Lauf in drei aufeinander folgenden Karten dargestellt wird.
Die Karten des Rheines:
1. Oberrhein (Schweiz, Elsass, Breisgau) - hier auch mit Ausschnitt um Basel
2. Mittelrhein (Straßburg bis Koblenz) - hier auch mit Ausschnitt von Mainz bis Bingen
3. Niederrhein (Köln bis zur Mündung)
- jeweils nicht genordet!
Die deutsche Geschichte:
Auf der Seite 189 beginnt die Darstellung der Geschichte der "Teütschen nation" seit der Antike, die sich vor allem auf antike und mittelalterliche Literatur stützt. Sie reicht von der Antike bis in seine Gegenwart, von der Schweiz bis zu den Niederlanden, vom Elsass bis zum Königreich Böhmen, sie zählt die verschiedenen Kaiser und viele Fürsten mit ihren Genealogien auf und gibt auch eine Übersicht über die Reichsstädte zu seiner Zeit, unter die er auch den Ingelheimer Grund (?) ("Ingelheim") rechnet.
Die einzelnen Regionen:
An die Gesamtgeschichte schließen sich Schilderungen der verschiedenen Regionen an, wieder im Süden beginnend mit der Schweiz:
"Heluetia: das ist: Scheitzerland oder Eydtgnoschafft, die erst provintz Teütscher nation".
Im Zusammenhang mit dem Wallis beschreibt er Murmeltiere, von denen er 1544 zwei in Basel wie Haustiere hielt und über einen Zeitraum von "drey oder vier monaten die weyl sie bei mir gewesen" beobachten konnte.
Die Städteschilderungen:
Er beginnt mit Luzern, Zürich, Solothurn. Für Basel benutzt er 17 Seiten, an deren Ende er einen Bericht über ein "Monstrum" anfügt, ein Paar siamesischer Zwillingsjungen, die 1543 bei Basel geboren wurden.
Zu Ingelheim
Zu Mainz
5. Die Gestaltungsprinzipen der Cosmographie
Die Illustrationen:
Die Cosmographie richtete sich an ein breiteres Publikum, auch wenn sie wahrscheinlich nur von Gebildeten gekauft und gelesen werden konnte. Sie sprach ihre Käufer und Leser vor allem durch die attraktive Art ihrer Aufmachung an mit möglichst vielen Illustrationen. Diese hatten in den ersten Auflagen allerdings noch keine gute Qualität; aber spätere Auflagen wurden mit 247 hochwertigen Städteansichten und 26 doppelseitige Karten ausgestattet. Diese wurden erst durch Matthäus Merians Städtebilder übertroffen, der selbst in Basel geboren wurde und sogar noch das Titelblatt für die letzte Cosmographie-Auflage 1628 entworden hat.
Oben: Doppelseitige Stadtansicht Basels, Cosmographie ca. 1570, Einzelblatt
Bekannte Künstler seiner Zeit fertigten Druckstöcke für die späteren Auflagen der Cosmographie an, u.a. kurzzeitig Hans Holbein d. J. und Hans Rudolf Manuel Deutsch. Auch Münster selbst schnitt Abbildungen in Holz und goss die Buchstaben für die Beschriftung der Landkarten, ein sehr wichtiges, aber schwieriges Verfahren. Wenn für eine Stadt (noch) keine eigene Abbildung zu bekommen war, dann wurde auch schon einmal für zwei oder sogar vier Städte dieselbe Ansicht verwendet, z.B. in der 1545er Ausgabe dasselbe kleine schematische Bildchen für die Städte
So verfuhr der Verleger Petri (oder Sebastian Münster selbst) auch bei Basel und Koblenz, Frankfurt und Venedig, Ingelheim und Mailand (!). Man darf dabei aber nicht außer Acht lassen, dass die Anfertigung hochwertiger Holzschnitte mit Städteansichten eine gewaltige finanzielle Herausforderung darstellte, so dass solche Mehrfachverwendungen auch durch ökonomische Zwänge verursacht worden sein können.
Auch andere Bildchen (z.B. Gehängte, Herrschergestalten, Fabelwesen, Vulkanausbrüche) wurden mehrfach verwendet. Es sind typisierte Illustrationen.
Münster gab im April 1548 die bis dahin aufgelaufenen Gesamtkosten der Abbildungen mit 600 Gulden an, also das Zehnfache seines Jahresgehaltes! Er bat deshalb die Städte, deren Bilder aufgenommen werden sollten, und viele Fürsten um finanzielle Zuschüsse - aber wie zu erwarten, mit unterschiedlichen Ergebnissen.
In späteren Auflagen ersetzten vielfach bessere Stadtansichten die vorherigen, z. B. bei Basel, wofür Münster in der Auflage von 1545 noch zwei einfache Bildchen verwenden musste, die später durch eine beeindruckende doppelseitige Stadtansicht abgelöst wurden, nämlich durch einen gelungenen doppelseitigen Holzschnitt von Hans Rudolf Manual Deutsch.
Basel als Zentrum regionaler Zusammenarbeit:
Während Münster ursprünglich (1528) eine mehr geographisch-mathematische Cosmographie vorgeschwebt hatte, bekam sein Projekt nach der Übersiedlung nach Basel immer mehr ein historisches Übergewicht, weil die Mitarbeiter, die er dort gewinnen konnte, eher der historischen Richtung der Weltbeschreibung anhingen. Sein wichtigster Mitarbeiter in Basel wurde Simon Grynaeus, aus dem Elsass Beatus Rhenanus und Pellikan, aus Augsburg Konrad Peutinger. Weitere siehe Burmeister 1963, S. 136 ff.
Mitarbeiter aus ihren jeweiligen Regionen versuchte er durch Bittbriefe zu gewinnen, Obrigkeiten von Städten und Landesfürsten, z. B. Stanislaus von Laski, den Gesandten des polnischen Königs auf dem Reichstag in Augsburg, oder König Gustav Wasa in Stockholm; vielfach erhielt er allerdings nicht einmal eine Antwort. Viele haben aber bereitwillig mitgearbeitet, z. B. der Pfalzgraf Johannes II. von Simmern und der Heidelberger Pfalzgraf und Kurfürst Ottheinrich, auch der Bischof von Trier, Johannes V. von Isenburg.
Die zu damaliger Zeit komplizierten Postverbindungen machten eine ähnliche Korrespondenz mit entfernteren Regionen - schon in Europa selbst - schwer bzw. unmöglich.
Vorurteile:
An manchen Stellen zeigt sich eine deutliche Überheblichkeit des christlichen Abendlandes gegenüber fernen Reichen und Kulturen, z. B. in der Schilderung der "Tartaren"(= Mongolen) (rechts ein mongolischer "Spießbraten") und in der Begründung, warum "Europa" zu seiner Zeit, dem Zeitalter der sog. Entdeckungsfahrten, begonnen hatte, die ganze Welt zu beherrschen (unten).
"Europa ... ist ein treffenlich fruchtbares Landt /
und hat auch ein natürlichen temperierten Lufft /
und auch einen milten Himmel /
und ist kein mangel darinn /
weder am Wein /
noch auch am Korn oder an anderen fruchtbaren Bäumen. Darzu ist es auch ein schön lustig Landt /
wol gezieret mit Stetten /
Schlösseren und auch Dörfferen /
darzu hat es auch ein dapffers und Mannhafftiges Volck /
dass es ubertrifft Asiam und Africam."
Allegorie der Königin "Europa" (im Lateinischen weiblich!), der Herrscherin über die ganze Welt.
Ihr bekrönter Kopf ist die iberischen Halbinsel, ihr Arm mit dem Reichsapfel Italien und Sizilien, der andere Arm mit dem Szepter ist Dänemark, das Schwarze Meer mit der Donaumündung liegt an ihrem unteren Gewandsaum. Die Berge des Böhmerwaldes bilden eine Gürtelschnalle.
"Africa" und (Klein-) "Asia" sind noch am Rande eingezeichnet.
Seriöses und Vermischtes:
Neben ernsthaften Berichten über herausragende (technische) Leistungen, so z.B. über die Bergwerke im elsässischen Lebertal (heute: "Liepvrette" im "Val d'Argent"), finden sich immer wieder auch Sensationserzählungen von seltsamen Tieren, Fabelwesen, Kannibalen und Monstern, die eine Zeitung heute unter "Vermischtes" platzieren würde.
Verlegerische Interessen seines Stiefsohnes Heinrich Petri mögen hierbei manchmal die Bedenken des ernsthaften Wissenschaftlers beiseite geschoben haben, vermutet Burmeister.
Zu der bekannten Darstellung eines Rhinozeros
6. Phasen der Arbeit Münsters an seinem Manuskript
a) Die erste Phase bis 1544 bestand zuerst einmal in der Ausarbeitung der Appendix geographica von Ptolemaeus, wobei die "Schreibarbeit des Gelehrten" im Vordergrund stand. Hier stützte sich Münster überwiegend auf vorhandene Literatur, antike wie zeitgenössische (Strabo, Ptolemaeus, Plinius, Tacitus, Marco Polo, Columbus, Vespucci, Bernhard von Breitenbach u.a.). Anfangs unternimmt er nur wenige Reisen und bemüht sich auch nur wenig darum, Regionalbeschreibungen von anderen Gelehrten zu bekommen. Dennoch wuchs ihm sein Material kurz vor der Veröffentlichung auf der Frankfurter Herbstmesse 1544 fast über den Kopf. Diese erste Auflage hat deswegen einen noch unvollkommenen Charakter. Trotzdem wurde sie sofort ein großer Erfolg.
b) Die zweite Phase, die sich unmittelbar daran anschloss, zwingt Münster 1545 zu noch größerer Eile, denn er und sein Stiefsohn Heinrich Petri befürchteten die Konkurrenz eines ähnlichen Buches, der "Eydgenossenschafft" des Zürchers Johannes Stumpf. Beide Autoren konnten sich jedoch auf verschiedene Konzeptionen einigen, wobei sich Stumpf sich auf die Schweiz konzentrierte.
c) Die dritte Phase von 1445 - 1550 nennt Burmeister die "wichtigste in der Entstehung der Cosmographie". Verstärkt bemühte sich Münster nun um authentische regionale Einzelbeiträge und gute Illustrationen, die nach Entwürfen künstlerisch gestaltet und in Holz geschnitten werden mussten, sogar durch Mitarbeiter in Straßburg und Zürich, was die Kosten in die Höhe trieb. Burmeister sieht sich außerstande, die Gesamtkosten der Cosmographie zu ermitteln. Ein Exemplar der Auflage von 1550 kostete den Käufer 2 Gulden, der Buchhändler musste an die Druckerei 1,6 Gulden zahlen, so dass die Auflage einen Gesamtwert von 7.200 Gulden hatte.
7. Ihre Nachwirkungen
"Für die positive Aufnahme der Cosmographie spricht ... die ungeheure Nachwirkung, die die Cosmographie gehabt hat und die sie uns heute noch als das bedeutendste Werk Münsters erscheinen lässt. Die Ausbreitung der Cosmographie in zahlreichen Übersetzungen und Auflagen in ganz Europa war die Grundlage dieser Nachwirkung." (Burmeister 1963, S. 181)
Seitens der katholischen Kirche wurde Münster, wohl vor allem wegen seiner rabbinischen Werke, mit Misstrauen betrachtet, und viele seiner Bücher wurden auf den Index gesetzt. Die Cosmographie musste "gereinigt" werden (s. bei den italienischen Auflagen).
Die Cosmographie erschien nach Burmeister, Bibliographie, S. 62-91
- in Deutsch in 21 Auflagen (mit zusammen ca. 50.000 Exemplaren), und zwar in den Jahren 1544, 1545, 1546, 1548, 1550, 1553, 1556, 1558, 1561, 1564, 1567, 1569, 1572, 1574, 1578, 1588, 1592, 1598, 1614, 1615, 1628;
- in Lateinisch in 5 Auflagen (mit zusammen ca. 10.000 Exemplaren), und zwar in den Jahren 1550, 1552, 1554, 1559, 1572;
- in Französisch in 6 Auflagen, und zwar in den Jahren 1552, 1556, 1560, 1565, 1568, 1575;
- in Italienisch in 2-3 Auflagen, "korrigiert und gereinigt" durch die Inquisition, und zwar in den Jahren 1558, o. J., 1575;
- in Tschechisch in 1 Auflage, und zwar 1554;
- Teile aus ihr wurden in 7 Auflagen ins Englische übersetzt.
Das Ende der "Cosmographei" von 1545. Foto: Dr. Anton Friedt, dem ich an dieser Stelle ausdrücklich für die Überlassung seiner Fotos eines Exemplars dieser Auflage danken darf, das damals noch im Besitz des Ingelheimer Sebastian-Münster-Gymnasiums war - heute im Museum bei der Kaiserpfalz.
Zur neuhochdeutscher Übertragung des Schlusstextes
Gs, erstmals: 11.08.06; Stand: 21.12.20