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Die Fatih Sultan Moschee in Nieder-Ingelheim

und das Türkisch-Islamische Kulturzentrum

Autor und Fotos: Hartmut Geißler

nach Ordukaya, Dursun: Ingelheim Fatih Sultan Camii. Wolf, Ingelheim [ca. 2008]
und nach einem Interview mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Ingelheimer Türkisch Islamischen Union, Dursun Ordukaya, am 09.11.2011


Als die türkische Gemeinde in Ingelheim in den 1980er Jahren immer größer wurde, fand sie 1988 zunächst in einem ehemaligen Geschäfts- und Wohnhaus in der Bahnhofstraße Räume für soziale und kulturelle Aktivitäten sowie für einen Gebetsraum.

Die ersten 35 Mitglieder des Trägervereins haben ihrem Verein den Namen "Fatih Sultan Moschee" gegeben und konstituierten sich im folgenden Jahr 1989 offiziell als "Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion Ingelheim und Umgebung e.V."

Diese DITIB abgekürzte Dachorganisation untersteht der Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei in Ankara und damit indirekt dem türkischen Ministerpräsidenten. Sie arbeitet als bundesweiter Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden. Ihr Logo steht auch über dem Haupteingang.


Das Haus in der Bahnhofstraße genügte aber in den 90er Jahren der wachsenden Mitgliederzahl nicht mehr, sodass man sich nach einem Bauplatz für einen größeren Neubau umsah.

Aus Spendengeldern wurde schließlich 1996 ein Grundstück im Gewerbegebiet an der Max-Planck-Straße aus städtischem Besitz erworben. Bevor dort aber gebaut werden konnte, mussten neue Spenden gesammelt werden, so dass es noch bis zum Herbst 2002 dauerte, bis der erste Spatenstich gemacht werden konnte. Mit weiteren Spenden, aber auch mit sehr viel Eigenarbeit konnte das neue Kulturzentrum mit Moschee schließlich Anfang 2008 fertiggestellt werden.

Die beiden folgenden Bilder zeigen die "Fatih Sultan Moschee" mit dem Kulturzentrum und ihren Reinigungsbrunnen (Şadırvan)

Die drei Etagen haben je ca. 350 m2 Gesamtfläche. Abgesehen von dem Gebetsraum im ersten Stock (s.u.) ist damit ausreichend Platz für Veranstaltungsräume, einen Fitnessraum, einen Waschraum für rituelle Waschungen, Duschkabinen, einen Lebensmittelladen, einen kleinen Friseursalon, Büro, Küche, ein Frauen-Café und eine kleine Wohnung für den Imam, den Vorbeter, geschaffen worden.

Denn dieses Gemeindezentrum soll der mittlerweile auf ca. 150 förmliche Mitglieder angewachsenen Gemeinde und ihren Gästen auch zu vielfältigen sportlichen und kulturellen Aktivitäten dienen, so auch für Koranunterricht und Hausaufgaben-Hilfe für Kinder und Jugendliche.

Die Zahl der in Ingelheim lebenden Muslime ist nirgendwo statistisch erfasst; Herrn Ordukaya schätzt sie auf 1000 bis 2000 Personen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Ornamentierung, Kaligraphie und Gestaltung des Gebetsraumes wurden von dem in Paris lebenden Künstler Evliyaoglu ausgeführt.


Die Benennung nach "Fatih Sultan" sagt wahrscheinlich den meisten Ingelheimern auf den ersten Blick nichts. Gemeint ist damit einer der bedeutendsten osmanischen Sultane, im Abendland besser bekannt als Mehmet II. "der Eroberer", denn das bedeutet sein Titel "Fatih", den er nach der Eroberung von Konstantinopel annahm.

Das alte Byzanz, seit 330 nach dem Kaiser Konstantin "Konstantinopolis" genannt, war für viele Jahrhunderte die Hauptstadt des oströmisch-griechischen Reiches und im Frühmittelalter auch für Karl den Großen sowie seinen Sohn Ludwig kulturelles, politisches und wahrscheinlich auch architektonisches Vorbild, denn es spricht einiges dafür, dass sich die Gestaltung der Ingelheimer Pfalz nach byzantinischen Vorbildern richtete. Man lese hierzu die Episode des Orgelnachbaues bei Ermoldus Nigellus (am Ende des Carmen, Punkt 6).

Ende des 11. Jahrhunderts begann jedoch der allmähliche Zerfall des oströmischen Reiches, aber auch die seit 1077 eingedrungenen türkischen Seldschuken benannten ihren Staat in Anatolien noch danach: "Rum" (von "Rom", d.h. dem "römischen" Reich).

In den folgenden Jahrhunderten eroberten die türkischen Osmanen fast das ganze byzantinische Reich, so dass in der Mitte des 15. Jahrhunderts (hier die Zeit des Umbaues der Burgkirche und der Ingelheimer Haderbücher) nur noch die alte Hauptstadt Konstantinopolis von Griechen regiert wurde.

Nach deren Eroberung 1453 machte Mehmet Fatih, "der Eroberer", statt der bisherigen Hauptstadt Edirne (Adrianopolis) nun Istambul zu seiner neuen Hauptstadt. Die größte Kirche der Christenheit, die Hagia Sophia, wurde zu einer Moschee umgebaut und der neu errichtete Topkapi-Palast wurde zum neuen Herrschaftssitz der osmanischen Sultane.

Mehmet erhob danach den Anspruch, Rechtsnachfolger der oströmischen Kaiser zu sein, nannte sich "Kayser-i Rum" (Kaiser der Römer) und versuchte durchaus seine Herrschaft auch über das weströmische Abendland auszudehnen, wo die "Römer" seit Karl dem Großen und Otto I. unter Germanenherrschaft geraten waren.

Unter seiner Regierung sollen rund 200 Städte erobert worden sein; vor Belgrad scheiterte er. In der Auseinandersetzung mit der Republik Venedig stärkte er die osmanische Flotte und stieß bis Italien vor. Seine Macht aber reichte nur zur zeitweisen Eroberung der süditalienischen Hafenstadt Otranto (1480).

 

Gs, erstmals: 06.11.11; Stand: 23.12.20