Autor: Hartmut Geißler
Die Schlacht bei Bulgnéville am 2. Juli 1431 wird in der genealogischen Chronik der Stiftung Seeau (Österreich) wie folgt beschrieben:
"Der Herzog von Lothringen, ein Schwager des Kurfürsten Ludwig III. von der Pfalz, war gestorben. Um seine Nachfolge streiten sich nun sein Schwiegersohn Herzog René und sein Neffe Graf Anton. Beide sammeln Truppen und Verbündete. Die Kurpfalz hat eigentlich in der ganzen Sache keine Trümpfe, trotzdem stellt der Kurfürst dem Herzog René 500 Berittene. Bei Bulgnéville, unweit Nancy, nehmen die gegnerischen Heere ihre Aufstellung. Graf Anton lässt seine Stellungen mit zugespitzten Pfählen, Karren und Fässern perfekt sichern. Dahinter stellt er seine Bogenschützen und gut getarnte Geschütze auf. Dann wartet er auf den Gegner und der kommt, die 500 Pfälzer an der Spitze. Als die Angreifer auf Schussweite herankommen, empfängt sie zunächst der Kugelhagel der Kanonen und Feldschlangen, und in das erste Durcheinander prasseln die Pfeile der Armbrustschützen. Sie müssen gut getroffen haben, denn im Nu wälzen sich Menschen und Pferde am Boden.
In diesen Wirrwarr sprengen nun die Reiter des Grafen Anton hinein und entscheiden die Schlacht, kaum dass sie 20 Minuten gedauert hatte. Was nicht tot ist, wird gefangen genommen, soweit nicht die Flucht gelingt. Die Pfälzer hat es am schlimmsten getroffen; für eine Sache, die sie nichts angeht, verlieren viele der Edlen ihr Leben u. a. die Grafen von Salm, von Saarwerden und von Leiningen, der Ritter Philipp von Ingelheim, die Ritter von Fleckenstein, von Ratsamhausen, von Montfort, von Handschuhsheim, Bayer von Boppard, von Steinkallenfels, Johann XII. Kämmerer von Worms genannt von Dalberg und noch viele andere, wie auch unser Cuno von Altdorf genannt von Krobsberg. Eberhard und Cuno von Zeiskan sind Gefangene und müssen sich gegen hohes Lösegeld freikaufen."
Nachweis dieses Zitates: http://members.kabsi.at/seeau/Encyclopaedia/LinienMuetter/Familie-Altorf.htm, entnommen am 21.09.08, noch vorhanden am 25.02.17, nicht mehr am 18.10.2020
Berichtigung: Der Bischof von Metz, Conrad II. Bayer von Boppard, ist nicht, wie oben erwähnt, gefallen, sondern in Gefangenschaft geraten und wurde im folgenden Jahr freigekauft. Gestorben ist er erst im Jahre 1459.
Siehe: www.saarland-biografien.de
1. Die Situation der Pfalzgrafschaft bei Rhein
nach Brandenstein und Schaab
Der Pfalzgraf Ludwig III. ("der Bärtige") hatte in den Jahren vor 1430 eine bedeutende Stellung in der Reichspolitik. Er war gemäß der Goldenen Bulle für eine kaiserlose Zeit Reichsvikar - realisiert für die Zeit nach Ruprechts Tod bis zur Wahl Sigismunds, aber auch während dessen häufigen Abwesenheiten, so auch 1431 - , er wurde 1408 auf Lebenszeit Landvogt für das Elsass, das damals - wie Lothringen selbst auch - noch zum römisch-deutschen Kaiserreich gehörte.
Er spielte eine bedeutende Rolle beim Konzil von Konstanz zur Beendigung der Kirchenspaltung (1414-1418) und überwachte die Hinrichtung von Jan Hus.
Ludwigs erste Frau war - wohl hauptsächlich aus finanziellen Gründen (wegen der Mitgift) - Blanca, die Tochter König Heinrichs IV. von England gewesen, die allerdings schon 1409 starb; ihr Sohn folgte ihr 1426 ins Grab. Diese Verbindung nach England dürfte also - nach dem Tod Blancas und ihres Sohnes - keine Rolle mehr für das Eingreifen in Lothringen 1431 gespielt zu haben, zumal auch der französische König René unterstützte.
Im Jahre 1420, also elf Jahre vor Bulgnéville, hatte Ludwig noch mit Darlehen von Mainzer Bürgern und seiner Räte, was durchaus üblich war, ein Heer von 15.000 Mann [Ich bezweifle diese hohe Zahl; Gs] finanziert, mit dem er seinem damaligen Schwager, dem englischen König Heinrich V., im Hundertjährigen Krieg zu Hilfe kam. Zusammen mit den Engländern belagerte er Melun (50 km südöstl. v. Paris) und zog nach der Kapitulation der Stadt wieder ab (Schaab, S. 170).
Es ist zwar nicht bezeugt, aber durchaus möglich, dass Philipp von Ingelheim auch an diesem Feldzug schon teilgenommen und verdient hat.
Die Familie der Lancaster hatte in jenen Jahrzehnten unter den folgenden englischen Königen Heinrich V. und Heinrich VI. ihre Ansprüche in Frankreich erneuert und versuchte sie im "Hundertjährigen Krieg" durchzusetzen, unter anderem in der berühmten Schlacht von Azincourt (1415), bei der die englischen Langbogenschützen die französischen Ritter besiegten. Denn Heinrich hatte ein professionelles Heer von erfahrenen, von ihm direkt bezahlten, gut ausgerüsteten und ergebenen Soldaten angeworben, die, anders als die traditionellen feudalen Ritterheere, bei Gefangennahme nicht auf Auslösung hoffen konnten. Ähnlich war es auch 16 Jahre später bei Bulgnéville 1431. Jeanne d'Arc, die "Jungfrau von Orléans", aus Domrémy, was etwa 37 km nordwestlich von Bulgnéville liegt, wurde von den Engländern am 30.05.1431, also kurz vor der Schlacht bei Bulgnéville, hingerichtet.
Im nächsten Jahr (1421) beteiligte sich Kurfürst Ludwig am Kreuzzug gegen die Hussiten und wollte dem Deutschen Orden gegen Polen zu Hilfe kommen. 1423 (und nochmals 1428/29, da aber schon ohne ihn persönlich) unterstützte er als Landvogt im Elsass dortige Städte im Konflikt mit dem Markgrafen von Baden. Waren auch an diesen Feldzügen Ingelheimer Ritter beteiligt?
Ludwigs Vater Ruprecht war deutscher König (1400 - 1410), allerdings ein sehr finanzschwacher und machtloser König, dessen Italienzug 1401/02 aus Geldmangel abgebrochen werden musste. An diesem Italienzug beteiligt war übrigens auch Herzog Karl II. von Lothringen als treuer Lehensmann des deutschen Königs. Ruprechts Leibwache bei diesem Zug bestand aus Lehnsleuten und Verbündeten - gut möglich, dass auch Ingelheimer darunter waren.
Ruprecht starb auf der Burg in Oppenheim, kurz vor einer Auseinandersetzung mit dem Mainzer Erzbischof. Nach seinem Tode wurde die Kurpfalz nachhaltig unter den vier Söhnen aufgeteilt. Ludwig erhielt den Heidelberger Teil (u. a. auch die Reichslandvogtei im Elsass und die Pfandherrschaft über den Ingelheimer Grund) und die Kurwürde.
Eine von Ruprechts Töchtern, Margarethe, war 1393 mit dem Lothringer Herzog Karl II. verheiratet worden und lebte zum Zeitpunkt der Schlacht von Bulgnéville noch in Lothringen, nämlich bis zu ihrem Tod 1434. Kurfürst Ludwig war also ein Schwager des anfangs 1431 gestorbenen lothringischen Herzogs Karl II.
Dieser unterstützte den ungarisch-deutschen König Siegmund mehrfach - wie auch andere Adligen seiner Region - in seinen Kämpfen gegen die Türken, anschließend den deutschen Ritterorden in Ostpreußen gegen die Polen. Karl nahm auch am Konzil von Konstanz (1414-1422) teil.
Nach seines Vaters (Ruprechts) Tod verzichtete Pfalzgraf Ludwig in richtiger Einschätzung seiner begrenzten Machtmittel auf eine eigene Thronkandidatur als deutscher König und betrieb stattdessen erfolgreich die Wahl des ungarischen Königs Sigmund aus dem Hause Luxemburg, eines anderen Sohnes von Kaiser Karl IV: Sigmund (Sigismund) wurde zum römisch-deutschen König gewählt und bestätigte Ludwig dafür die von Ruprecht erneuerten Verpfändungen des Reiches an die Pfalz, darunter auch die des Ingelheimer Grundes.
Mitte der 1420er Jahre jedoch zog sich Kurfürst Ludwig - krank und frustriert, wie es scheint - aus der Reichspolitik zurück, unternahm eine Pilgerreise nach Jerusalem (1426/27), kam durch Gicht hinfällig und fast blind zurück und übergab acht Monate später seinem Bruder Otto I. von Pfalz-Mosbach die Regentschaft, übernahm aber 18 Monate später wieder die Regierung selbst und war 1432 und 1433 als Reichsvikar tätig.
Otto musste 1428 geloben, keinen Krieg ohne die Zustimmung Ludwigs oder seiner sieben Räte zu beginnen (Schaab, S. 174). Er hatte schon 1412 ein Pfälzer Hilfskontingent für seinen Schwager Hzg. Karl von Lothringen gegen den damaligen Herzog von Bar angeführt. Auch hierbei könnte schon ein Ingelheimer Ritter teilgenommen haben.
Wer trug also 1431 die politische Verantwortung für die Entsendung pfälzischer Ritter nach Lothringen?Ludwig selbst oder Otto und die Räte? Beide Brüder entfremdeten sich in diesen Jahren, u.a. weil Ludwig nicht die versprochenen 1000 Gulden als Jahreslohn zahlte.
Als sich die Krankheit des Kurfürsten verschlimmerte - im Jahre 1435 war er halb blind, lahm und taub - , wurde der Kurfürst im Juni 1435 förmlich durch seine Frau Mechthild, seinen Bruder Otto und 25 kurfürstliche Räte, darunter auch Henne Werberg (von Lindenfels), den Schwiegervater Philipps, entmachtet. Otto übernahm wieder die Regentschaft und nach dem Tode Ludwigs III. im Jahre 1436 auch die Vormundschaft für den noch minderjährigen Thronfolger Ludwig IV.
2. Die Situation in und um Lothringen
(detailliert und umfassend dargestellt von Bertrand Schnerb)
Herzog Karl II. von Lothringen hatte keine Söhne. Daher hatte er sich darum bemüht, die Erbfolge über seine Töchter zu sichern. Seine ältere Tochter Isabelle hatte er 1419 mit René d'Anjou verheiratet, dem jungen Herzog des benachbarten Bar (-le-Duc), seine jüngere Tochter Katharina mit dem Markgrafen von Baden, Jakob I., dem bei der Eheschließung ersatzweise die Nachfolge in Lothringen zugesichert worden war, falls die Ehe Renés kinderlos bleiben sollte. Beiden Regelungen hatten die lothringischen Stände zugestimmt. Die Durchführung des entsprechenden Testamentes von 1425 hatte er in die Hände seiner deutschen Gattin Margarete und des Markgrafen Jakob von Baden gelegt.
Im mächtig gewordenen Burgund, beobachtete man diese Vorgänge mit Aufmerksamkeit, denn die geographische Lage der Herzogtümer Lothringen und Bar zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil Burgunds - auf der Karte links weiß - erregte natürlich Begehrlichkeiten, zumal beide Herzogtümer sich 1430 geweigert hatten, einer Allianz Philipps III. (des Guten) von Burgunds mit den Engländern gegen den französischen König Charles VII. beizutreten.
Dabei waren für die Burgunder sichere Durchzugswege vom südlichen in den nördlichen Teil nach Flandern, wo die Kämpfe gegen die französischen Krone stattfanden, von großer strategischer Bedeutung.
Links: die burgundischen Lande im 15. Jahrhundert (wikipedia)
3. Die Schlacht bei Bulgnéville
(nach Bertrand Schnerb)
Als René sofort nach dem Tode seines Schwiegervaters Karls II. (am 25. Januar 1431) mit Zustimmung der lothringischen Stände das Herzogtum übernahm, entschloss sich Philipp III. von Burgund einzugreifen. Denn auch mit René d'Anjou, einem Schwager des französischen Königs, war kein Bündnis gegen die französische Krone zu erreichen.
Und so wurde der Erbfolgekrieg um Lothringen überlagert von den Gegnerschaften des Hundertjährigen Krieges.
Um René zu blockieren, benutzte Philipp von Burgund den anderen Prätendenten, den Grafen Antoine de Vaudémont, einen Neffen des verstorbenen Herzogs. Vaudémont liegt im heutigen Arrondissement Nancy. Sein Vater Ferry/Ferri war 1415 auf burgundisch-englischer Seite in der Schlacht bei Azincourt gefallen, die für die französische Seite und ihren Adel so verlustreich war. Seit dem Jahre 1425 hatte Antoine offiziell seine Nichtanerkennung der weiblichen Erbfolge in Lothringen betont und seine Erbfolgeansprüche angemeldet, die aber ignoriert wurden.
a) die burgundische Armee
Ihn unterstützte Philipp von Burgund nun mit Rittern, Fußsoldaten, Bogenschützen und Kanonen, die unter dem Kommando von Antoine de Toulongeon standen, einem der großen Anführer des Hundertjährigen Krieges, zeitweise Botschafter Burgunds in England und Frankreich, Kämmerer und Marschall von Burgund sowie Generalgouverneur von Burgund und Charolais für den häufig abwesenden Herzog. Er war einer der ersten Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies.
Dieser hatte in den Kämpfen mit den Engländern deren neuartige Kampfmethoden gelernt und sie nach Burgund übertragen: massierter Einsatz von Bogenschützen und Armbrustschützen, die er auf Befehl des Herzogs seit Anfang Mai im Artois und der Picardie angeworben hatte (etwa 1200 - 1500 Mann von insgesamt ca. 4000; die anderen 2500 - 2800 waren Burgunder, Savoyer und Engländer, unter denen weitere 400 Bogenschützen; s. Schnerb, S. 61ff.).
Hinzu kamen die herkömmliche Ritter zu Pferde mit ihren Fußsoldaten und vor allem Kanonen, dennseit ca. 1370 hatte Burgund immer mehr Kanonen verschiedener Größe angeschafft. Nachschub und diese Kanonen wurden auf Wagen transportiert. Diese burgundische Armee für Antoine de Vaudémont versammelte sich am 17. Juni 1431 bei Montsaugeon im heutigen Département Haute-Marne.
b) die bar-lothringische Armee Renés
Auf der Gegenseite leitete der sehr kriegserfahrene königliche "Kapitän" Arnault Guilhem, Baron de Barbazan die bar-lothringischen Operationen. Unter anderem hatte er im Jahre 1420 für den französischen König die lange Zeit erfolgreiche Verteidigung von Melun organisiert, zu deren Belagerern ja auch pfälzische Ritter gehörten (s.o.).
Ihm unterstanden schließlich 6000 Ritter und 1500 Fußsoldaten, also zahlenmäßig erheblich mehr als auf der burgundischen Seite. Dies waren zuerst einmal lothringische Vasallen, viele aus den deutschsprachigen Gebieten, sodann Kämpfer aus den Bischofsstädten Metz und Toul sowie Bewaffnete des Robert von Saarbrücken, Damoiseau (Junker) von Commercy (C. liegt im Tal der Maas zwischen Bar-le-Duc und Nancy). Schließlich bat René (oder seine deutsche Schwiegermutter) noch um Hilfe aus dem Elsass, aus der Kurpfalz und aus Baden, darunter war unser Philipp von Ingelheim.
Diese Bitte um militärische Unterstützung war nach den Verflechtungen der vorausgegangenen Jahrzehnte überhaupt nichts Ungewöhnliches.
Renés Truppen setzten sich also aus recht verschiedenen Gruppen zusammen, einige aus feudaler Verpflichtung, einige freiwillig (Philipp von Ingelheim?) und einige als bezahlte Söldner. Insgesamt überwog in Renés Armee der feudale Anteil voll gerüsteter Ritter traditioneller Kampfesweise.
Mit allen aber gab es Verträge des Inhaltes, dass die Kämpfer Anteil am Gewinn im Falle eines Sieges bekämen, Entschädigung für Menschenverluste und Hilfe beim Freikauf, falls sie in Gefangenschaft gerieten.
c) Die Schlacht
Antoine de Toulongeon hatte den strategischen Auftrag, das Heer Renés von der Belagerung der Burg Vaudémont abzubringen. An ihr waren auch Ritter des Markgrafen von Baden beteiligt, die René zu Hilfe gekommen waren; "150 Pferde" nennen die Regesten der Markgrafschaft vom 14. Juni 1431. Sie sollen sich später beim Eintreffen der Nachricht über die Niederlage bei Bulgnéville "in wilder Flucht" zerstreut haben.
Einen direkten Entlastungsangriff wagten die Burgunder nicht, sondern zogen durch das Herzogtum Bar und verbrannten die Dörfer, erschlugen die Einwohner; in der damaligen Terminologie: "faire une bonne rèse au pays de la duché de Bar", d.h. "eine gute 'Reise' durch das Herzogtum Bar machen" (Schnerb, S. 74).
Am 30. Juni 1431 war die vorsichtig operierende Armee Burgunds bis Sandaucourt gekommen (heute an der A 31 nördlich von Bulgnéville). Am nächsten Tag erwartete man dort einen Angriff Renés, der die Belagerung von Vaudémont abgebrochen hatte und den Burgundern entgegen gezogen war. Deshalb brach man am Montag, dem 2. Juli, das Lager ab und zog weiter in Richtung Bulgnéville.
Etwa 2 km nordwestlich dieses Ortes stellte sich die Armee der Burgunder auf einer kleinen Anhöhe auf, um dort - defensiv - den Angriff der nahenden Lothringer zu erwarten, nach dem Chronisten Monstrelet auf den Rat eines englischen Ritters hin, Thomas Gargrave (Schnerb, S. 76): Im Rücken einen kleinen Bach und die Wagen, an den Seiten und vor der Front die Kanonen ebenso wie die Bogenschützen, im Zentrum das Fußvolk.
Auf Bar-Lothringer Seite vorn Barbazan mit der "Avant-garde", in der Mitte René selbst mit der "Bataille principale" und hinten Commercy mit der "Arrière-garde". Nach einer gereimten Lothringer Chronik waren die Pfälzer und andere Kontingente aus Deutschland in der Mitte aufgestellt, also vielleicht auch unser Philipp von Ingelheim - zu Fuß ("démontés")?
Diese Aufstellung entsprach der üblichen Kampftaktik des 14. Jahrhunderts, mit einem Angriff vom rechten Flügel her, während die Reiter von hinten links ausschwärmen sollten (Schnerb, S. 83).
Die Armeen standen sich ca. zwei Stunden dicht gegenüber, die Banner wurden nach einem strengen Reglement entfaltet. Währenddessen wurde Wein und Brot unter den burgundischen Truppen verteilt.
Gegen 10 oder 11 Uhr vormittags griffen die Truppen Renés schließlich an, und als sie in Reichweite der Bogenschützen und Kanonen der Burgunder gekommen waren, empfing sie ein fürchterlicher Hagel von Pfeilen und Steinkugeln. Trotz schwerer Verluste arbeiteten sich die Männer Barbazans bis an die feindlichen Linien vor, als ihr Anführer getroffen wurde und sein Banner zu Boden sank. Die Lothringer wichen zurück, die Burgunder setzten nach.
In der Mitte standen die Truppen Renés unter starkem Beschuss der Bogenschützen und gerieten bei einem Ausfall der Burgunder in Panik - alles floh in wilder Flucht. Der linke Flügel der Lothringer unter Commercy (="Saarebruck") griff, abgeschreckt durch den Pfeilhagel, anscheinend gar nicht in den Kampf ein und floh ebenfalls.
Das Ganze soll nicht länger als eine Viertelstunde gedauert haben.
Die Burgunder setzten den fliehenden Truppen Renés nach, nahmen ihn selbst und viele Ritter gefangen und töteten viele andere, von denen vielleicht kein Lösegeld zu erwarten war.
Es sollen auf Lothringer Seite 3000 bis 4000 Männer getötet oder gefangen worden sein. Schnerb hält eine Zahl von 2000 bis 2500 Toten auf der Seite Renés für wahrscheinlich (S. 90). Auch Barbazon selbst starb später infolge von Verwundungen, die er sich in der Schlacht zugezogen hatte.
Nach dem Schreiben von Kurfürst Ludwig an die Stadt Straßburg vom 12.02.1432 ist dabei auch ein wichtiger Rat der Kurpfälzer Regierung, Friedrich IV. von Fleckenstein, Herr zu Dagstuhl, gefallen. (Brandenstein, S. 261)
Weitere gefallene Ritter aus der Kurpfalz stellte Josef A. Raimar (S. 368/9) zusammen:
- Johann Graf von Mörs-Saarwerden
- Dietrich III. von Rathsamhausen
- Kaspar von Sirk
- Quentin von Criechingen
- Johann von Rodenachern
- Johann von Rollingen-Warsberg
- Johann Kämmerer von Worms, Ritter von Dalberg
- die Brüder Hans I. und Thomas Bitsch von Gentersberg; ein dritter Bruder Friedrich I. B. v. G. geriet in Gefangenschaft, aber kehrte zurück
Ebenfalls in Gefangenschaft, und zwar schwer verwundet, geriet nach seiner eigenen Darstellung in der Flersheimer Chronik Friedrich Ritter von Flersheim; er musste sich mit 1500 fl. auslösen.
Zum Lied des Dichters Bernkopf und dessen Sicht der Schlacht
Die Schlacht von Bulgnéville war demnach ebenso kurz wie blutig und ermöglichte Burgund, in Lothringen "Fuß zu fassen", wie es Schnerb in seinem Untertitel formuliert:
"L'État bourguignon prend pied en Lorraine".
Abb: Umschlagseite des sehr empfehlenswerten Buches von Bertrand Schnerb
Das Heer Renés war offenbar waffentechnisch veraltet ausgerüstet gewesen und taktisch nicht auf der Höhe der Zeit, es verließ sich auf die alten "ritterlichen" Kampfesweisen und wurde deshalb durch die "moderneren" (Armbrust-) Schützen und Kanonen dezimiert und in die Flucht geschlagen, ähnlich wie die französischen Ritter in der Schlacht von Azincourt schon 16 Jahre vorher durch die englischen Bogenschützen. Die Flüchtenden wurden von den Burgundern verfolgt ("chasse"), wobei noch viele erschlagen und ausgeraubt wurden.
Wie der Ritter Philipp starb, ob beim Angriff von einem Geschoss getroffen, ob im Nahkampf oder ob auf der Flucht, wissen wir nicht.
Der Konflikt um die Herzogtümer Lothringen und Bar zog sich allerdings noch eine Zeit lang hin. Die burgundische Haft Renés wurde erst 1437 gegen eine hohe Lösegeldzahlung aufgehoben, obwohl ihn schon 1434 König Sigismund am Rande des Konzils von Basel durch einen Schiedsspruch trotz seiner Niederlage als Herzog von Lothringen belehnt hatte.
Letztlich wurde also der Verlierer René durch das Eingreifen des römisch-deutschen Kaisers Sigmund doch Herzog von Lothringen, freilich nunmehr stark abhängig von Burgund.
Der ungarische und deutsche König Sigmund hatte sich übrigens zuerst nach Ausweis seiner Regesten gar nicht um die Lothringer Nachfolge gekümmert. Ihm lag der Osten des Reiches und vor allem das Hussitenproblem viel näher, zumal das Interesse der "Luxemburger" Herrscherfamilie an ihrer Herkunftsregion zum Ende des 14. Jahrhunderts völlig geschwunden war.
Und so sah es auch der Minnesänger Bernkopf aus Mainz, der den Pfälzer Rittern vorwarf, an der falschen Stelle gekämpft zu haben, in Lothringen statt gegen die Hussiten.
Leider wissen wir nichts über die finanziellen Konsequenzen, die der Tod Philipps von Ingelheim seiner Familie brachte, z. B. ob Begleiter, Knappen aus Gefangenschaft freigekauft werden mussten bzw. konnten oder ob eine Entschädigung für Philipps Tod geflossen ist.
Nach der Niederlage sah es aber in der Kasse Renés so düster aus, dass nicht einmal die vereinbarte Mitgift für seine Schwägerin an den Markgrafen von Baden gezahlt werden konnte (Herrmann, S. 160).
Auch wissen wir nicht, was aus seinen vermutlich mindestens drei Begleitern zu Fuß geworden ist, den üblichen "Edelknechten" oder "Knappen", die ein Ritter zu Pferde brauchte. Wurden auch sie getötet oder gefangen? - Wir wissen auch dies nicht.
Wahrscheinlich aber war diese Expedition Philipps für seine Familie in Ingelheim nicht nur ein menschliches, sondern auch ein finanzielles Desaster. Die Unterbrechung des Umbaues der Burgkirche und seine spätere Wiederaufnahme mit neuem Konzept mag hierin seinen Grund haben.
Auf dieser Abbildung wurde die Skizze zur Schlachtaufstellung bei Schnerb (s.o.) auf ein Luftbild der Autobahn zwischen Vaudoncourt (am oberen Bildrand) und Bulgnéville (in der rechten unteren Ecke) projiziert.
Man sieht deutlich, dass die heutige Autobahn A 31 (hellgrau) direkt durch das Schlachtfeld verläuft, sozusagen durch die Stellungen der Burgunder hindurch.
Wer auf dieser A 31 in den sonnigen Süden fährt, z. B. nach Aix-en-Provence, wo dem "guten König" René d'Anjou ("le bon roi") ein Denkmal gesetzt wurde, von Saarbrücken über Metz, Nancy und das burgundischen Dijon, der sollte sich bei der Ausfahrt Nr. 9 "Bulgnéville" an unseren Ingelheimer Ritter Philipp erinnern und beim Überfahren des Schlachtfeldes von 1431, der mittelalterlichen Sitte gemäß, fürbittend seiner gedenken mit den Worten auf dem Epitaph seiner Frau Mia „requiescant in pace" oder seines Sohnes Hans „dem gott gnade"!
Gs, erstmals: 27.11.08, Stand: 18.12.20