Autor: Hartmut Geißler
unter Benutzung eines Artikels der Ingelheimer Archivarin Nadine Gerhard
im Heimatjahrbuch Kreis Mainz Bingen für 2020, 2019, S. 279-283
Frau Gerhad beschreibt den Weg von der ersten Idee bis zum Errichten des Denkmals im oben genannten Aufsatz:
Seit dem Jahr 1917 hatte Boehringer sich mit dem Plan beschäftigt, „für die gefallenen Ingelheimer ein gemeinsames Denkmal zu errichten“. Hierzu teilte er in einem Schreiben an die Bürgermeisterei Nieder-Ingelheim vom Juli 1921 ausführlich mit: „Mein Grundgedanke ist nun der, an einem ruhigen neutralen Platz einen Hain zu errichten, in dessen Mitte eine Tempel- oder Mausoleumsartige Halle zu stehen kommt, in welcher dann eine wirklich wertvolle künstlerische Statue aufgestellt und die als Erinnerungszeichen für die Gefallenen dienen soll.“
Als Lage wurde damals noch ein Platz zwischen dem Bahnhof und der Straße nach Ober-Ingelheim benannt, da es sich um ein Denkmal für beide Ortsteile, die damals noch nicht zur Stadt Ingelheim zusammengeschlossen waren, handeln sollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Boehringer auch schon Kontakt mit dem Bildhauer Prof. Georg Daniel Stöcker (1865-1957) in Stuttgart aufgenommen, da dieser bereits ähnliche künstlerische Arbeiten ausgeführt hatte. Boehringer bat um die Meinung der Gemeinde Nieder-Ingelheim zu dieser Thematik, nachdem der Gemeinderat in zwei Sitzungen im Jahr zuvor bereits sein grundsätzliches Einverständnis zur Errichtung eines Kriegerdenkmals signalisiert hatte.
Im Dezember 1920 beschloss der Gemeinderat die Bildung einer Kommission zur Schaffung eines Kriegerdenkmals für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Ingelheimer Soldaten, für die auch bereits die städtischen Vertreter benannt wurden. Ab Januar des Folgejahres entsandten außerdem zahlreiche Vereine die ihrerseits bevollmächtigten Mitglieder zur gemeinsamen Beratung in diesen Ausschuss. Der von Boehringer entwickelte Grundgedanke der Halle wurde von ihm im Laufe des Jahres nun offiziell mit dem Projektbegriff „Volkshaus“ tituliert. Mittlerweile stand Boehringer ab der zweiten Jahreshälfte auch mit verschiedenen Architekten aus Mainz und Darmstadt in Verbindung. Ferner gab der Ober-Ingelheimer Architekt Philipp Starck (1880-1944) seine Entwürfe ab. Das projektierte Volkshaus sollte mit einem Musiksaal, einer Bücherei und einem Lesesaal bestückt sein. Auch die Schaffung eines offenbar dringend benötigten Vereinszimmers war im Gespräch.
Doch im Januar 1922 wurde deutlich, dass Albert Boehringer aus Kostengründen von seinem ursprünglichen Plan abgekommen war und nun „lediglich“ ein Kriegerdenkmal errichten lassen wollte. Auch ein mit der Gemeinde Ober-Ingelheim gemeinsam zu errichtendes Denkmal war vom Tisch.
Kurze Zeit später erwarb Boehringer von den Prinzessinnen zu Solms-Braunfels das Parkgelände an der Binger Straße und ließ, wie der Gemeinderat von Nieder-Ingelheim explizit vermerkte, „ohne jegliches Wissen der Gemeinde oder des Gemeinderats“ darauf ein Kriegerdenkmal errichten, das im August 1924 fertiggestellt war. Das von Julius Liebrecht (1891-1974) diesbezüglich und gemeinsam mit einem Vertragsentwurf zugesandte Schreiben teilte die Absicht Albert Boehringers mit, das Gefallenendenkmal und dessen Standort, verbunden mit verschiedenen Auflagen und Wünschen, der Gemeinde zum Geschenk zu machen.
Zunächst „zierte“ sich der Gemeinderat aus verschiedenen Gründen, stimmte im September aber zu, das Geschenk gern annehmen und mit einer würdigen Feier im Frühjahr einweihen zu wollen. Boehringer zeigte sich damit einverstanden und beauftragte einen Notar mit den Formalitäten. Die darüber geführten Verhandlungen sorgten allerdings für eine weitere Verzögerung.
Schließlich wurde erst am 16. Juli 1925 ein notariell abgesegneter Tauschvertrag zwischen der bürgerlichen Gemeinde Niederingelheim und Dr. Albert Boehringer geschlossen. In diesem überträgt Boehringer der Gemeinde „4368 qm Park im Kirchgarten und auf dem Belzer, samt dem von Herrn Kommerzienrat Dr. Boehringer auf diesem Grundstück errichteten Kriegerdenkmal“. Punkt 7 legte für alle Zeiten fest, dass das Grundstück weder veräußert, noch in irgendeiner Weise bebaut werden darf, denn „es muss vielmehr für alle Zeiten Denkmalsparkanlage bleiben“. Die Parkanlage führte zukünftig laut Brandkataster die Adressbezeichnung Binger Straße 12.
Im Zuge der Restaurierung 2007 wurde die äußere Beschriftung so geändert, dass das Denkmal nun an die Gefallenen beider Weltkriege erinnert. Es enthält sich jeder Form von nationalem Pathos und gibt nur Raum zum Trauern. Daher dient es jedes Jahr zur Gedenkstunde am Volkstrauertag.
Vor der Figurengruppe ist eine Tafel in den Boden eingelassen, die summarisch auch an die Opfer des Zweiten Weltkrieges erinnert.
Von der Einweihungsfeier am 29.11.1925 berichtete die Ingelheimer Zeitung vom 2.12.1915:
Und unter dem Datum vom 21. Juli 1926 ergänzte sie (mit falschem Zeitbezug - nicht im Frühjahr, sondern schon im Herbst des vergangenen Jahres, s.o.):
"Im Frühjahr fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Einweihung des von der Firma C. J. Boehringer erbauten und der Gemeinde zum Gedächtnis an die Gefallenen übergebenen Kriegerdenkmales statt. Gelegentlich dieser Weihe wurden Kränze mit weiß-roten (hessische Farben; Gs) und schwarz-weiß-roten Schleifen niedergelegt. Nachts darauf waren letztere zwei Schleifen entfernt worden. Es lag die Vermutung nahe, daß die Tat einen politischen Hintergrund hatte. Von seiten der Gemeinde wurde seinerzeit eine Belohnung auf die Ergreifung der Täter festgesetzt..." (Chronik, S. 117)
Die offiziellen Nationalfarben der Weimarer Republik waren schwarz-rot gold, während schwarz-weiß-rot die Farben des vergangenen Kaiserreichs waren, das freilich diesen Krieg geführt hatte und dem sich die Familie Boehringer wohl stärker verbunden fühlte als der neuen Republik (Vgl. Kißener, Boehringer Ingelheim im Nationalsozialismus).