Autor: Hartmut Geißler
Nach dem Baubeginn unter Karl dem Großen ist die Ingelheimer Pfalz unter seinem Sohn Ludwig oft benutzt worden, nach dessen Tod 840 aber etwa ein Jahrhundert lang wenig, jedenfalls nicht zu Großveranstaltungen. Deshalb scheinen auch die Gebäude des Regierungsviertels, das in den Schriftquellen nicht mehr eigens erwähnt wird, unter den späten Karolingern nicht mehr gepflegt worden zu sein, sodass seine Gebäude und wahrscheinlich auch die Wasserleitung ziemlich gelitten haben dürften.
Als aber im 10. Jahrhundert die Herzöge aus dem norddeutschen (Nieder-) Sachsen die Nachfolge der Karolinger antraten, als sie mit Heinrich I. den deutschen König stellten und mit dessen Sohn Otto I. auch wieder einen Kaiser, da knüpften diese "Ottonen" gezielt an karolingische Traditionen an, z. B. an die Krönung in Aachen und auch an Hoftage in der Pfalz Ingelheim, wenn sie im Herzogtum Franken waren. Außerdem hielten sie in der Ingelheimer Remigiuskirche mehrere Synoden ab und feierten hier mehrfach glänzende Osterwochen.
Classen (S. 105) weist auf die erste erneute Erwähnung der Ingelheimer Pfalz in jener Epoche hin, in den kurzen (exzerpierten) Salzburger Annalen, wo in einer "trockenen" Bemerkung (so Classen) zum Jahr 928 festgehalten ist:
"Estas sicca fuit. Colloquium ad Ingilheim" (= "Der Sommer war trocken. Unterredung in Ingelheim"; Annales ex Annalibus Iuvavensibus antiquis excerpti S. 743).
Es ist überhaupt die einzige Erwähnung eines Kolloquiums in diesen Annalen, die einen Zeitraum von 844 bis 956 behandeln, also mehr als ein Jahrhundert, einer Unterredung - wahrscheinlich zwischen dem König und den Großen des Reichs (Herzöge, Bischöfe und Äbte). Daraus kann man entweder schließen, dass ihm nicht mehr als karge Randnotizen auf alten Kalendern als Vorlage dienten oder dass es die Tatsache eines solchen Treffens an sich war, die dem exzerpierenden Mönch wichtig erschien, nicht die Tagesordnung oder ihre Beschlüsse.
Als Jahreszeit dieser Versammlung, die man heute in der ottonischen Zeit meistens "Hoftag" nennt, nicht mehr "Reichsversammlung", vermutet Classen (trotz der Erwähnung gleich nach dem trockenen Sommer) kurz vor oder kurz nach dem Weihnachtsfest, weil Heinrich das in Mainz feierte. Die allgemeine Nichtbenutzung der Ingelheimer Pfalz während des Winters spricht aber dagegen.
Da man keinerlei Einzelheiten zum Ablauf solcher "Besprechungen" kennt und damit auch nicht ihren Gebäudebedarf, weiß man auch nicht, was dabei im Königshof oder in einem renovierten oder umgebauten Palatium oder im Freien geschah. Als sicher gilt nach den Ausgrabungsbefunden eine weitere Benutzbarkeit der Aula regia. Auch zwei Nachfolgebauten der Trikonchenkapelle existierten noch lange benutzt, während es die Saalkirche noch nicht gab. Wahrscheinlich wurde auch der Nordflügel noch für Regierungstätigkeiten genutzt.
Man wusste sicherlich weiterhin den guten Wein aus Ingelheim zu schätzen, denn der Sohn dieses Heinrich, Otto I., schenkte gleich nach seiner Königswahl 936 dem neugestifteten Kloster Quedlinburg östlich des Harzes (!) u. a. 10 Wagenladungen (Fuder) Wein aus "Ingelenheim" (MGH DD O I 1), und zwar als erste Weinausstattung des Klosters.
In dieser Zeit der sächsischen Könige (kurz oft "Ottonen" genannt wegen der Aufeinanderfolge der ersten drei namensgleichen Könige) und der auf Heinrich II. folgenden ersten Könige aus der salischen Familie erlebte Ingelnheim mt der ehemaligen Pfalz Karls des Großen einen erneuten Aufschwung, sie war der Ort großer und gerühmter Feste, sie erlebte ihre zweite Blütezeit, die fast ein Jahrhundert anhielt, bedeutender als in der karolingischen Zeit.
Festhalten muss man allerdings, dass etwa seit Otto III. der Begriff "palatium" zugunsten des reinen Ortsnamens - wie nahezu überall im Reich - aus den Urkunden und Chroniken verschwand, sodass man daran nicht festmachen kann, was noch im alten Palatium stattfand und was in anderen Gebäuden des Königsgutes, die man in der Nähe der Remigiuskirche vermuten muss.
Der Ruf "Ingel(n)heims" wurde nach dem Ende der Großveranstaltungen (die letzte 1043) im folgenden 12. Jahrhundert geradezu legendär.
Wahrscheinliche Herrscheraufenthalte der sächsischen Könige (auf der Basis der hier ausgestellten Urkunden und Chronik-Erwähnungen):
Heinrich I. (919- 936) einmal: 928
Otto I. (936- 973) neunmal: 937, 941, 948, (953 Besuchsabsicht aus Sicherheitsgründen abgebrochen), 956, 958, 961, 965 (2), 972
Otto II. (973- 983) vier- bis sechsmal: eventuell schon 963 und 965 (mit 3 Urkunden), 972 mit seinem Vater auf der Rückreise von Italien; als König dreimal: 976, 977, 980
Otto III. (983-1002) etwa zehnmal als Kind: 984, 985, 987, 988, 989, 992, 993, 994, 996, 1000 (?). Die meisten seiner Aufenthalte fallen in die Zeit seiner Unmündigkeit, als seine Mutter Theophanu und seine Großmutter Adelheid, die Witwe Ottos I., in enger Abstimmung mit den Bischöfen von Mainz (Willigis) und Worms (Hildebold) die Regentschaft für ihn führten.
Für Theophanu (griechisch auch Theophano geschrieben), die griechische Mutter des jungen Otto III., war Ingelheim geradezu ein "Hauptstützpunkt ihrer Regierung" (Holger Grewe). Nach seiner Kaiserkrönung in Rom 996 und mit einem anderen Berater (Gerbert von Reims) änderte sich das: Nun wurde Aachen die nach Rom zweite Residenz, Ingelheim musste zurücktreten. Eine Rolle dürfte dabei auch Lösung Ottos III. von seinem bisherigen Berater, dem Erzbischof Willigis von Mainz, gespielt haben.
sowie:
Heinrich II. (1002-1024) sechsmal: 1006, 1008, 1009, 1011, 1017, 1018
Herrscheraufenthalte der Könige aus der Salierfamilie:
Konrad II. (1024-1039) dreimal: 1024, 1030 (Ostern), 1036
Heinrich III. (1039-1056) zweimal: 1040, 1043 (= letztes Fest in der Pfalz)
Heinrich IV. (1056-1106) ein- oder zweimal: 1065 (zusammen mit dem hessischen Gaugrafen Werner III. - sehr fraglich) und 1105 (unfreiwillig zur eigenen Absetzung)
Heinrich V. (1106-1125) einmal: 1105 (zur Absetzung des Vaters), danach nie wieder
Mansiones:
Weil die Großen des Reiches in dieser Epoche - Mitte des 10. bis zur Mitte des 11. Jhs. - nicht selten nach Ingelheim kommen mussten, beschafften sich einige sogar Bauplätze für feste Häuser, um nicht nur auf Zelte angewiesen zu sein. Denn die Gebäude des Königshofes konnten bei weitem nicht alle hohen Gäste beherbergen.
Als Beispiel hier die Angaben aus einer Schenkungsurkunde Ottos III. vom 22.09.994 (aus Sohlingen bei Uslar am Solling, Dipl. Ottos III, 147): Wegen der bisherigen häufigen und hilfsbereiten Beherbergung seines Vaters (Ottos II.), seiner Mutter Theophanu und seiner eigenen Bewirtung durch Markgraf Hugo von Tuscien (Toskana) schenkt Otto III. - oder besser: Theophanu selbst - diesem einen Bauplatz in Ingelheim und ein Bauerngut in Ober-Ingelheim:
"... desiderio ac petitioni illius concessimus et dedimus infra (=intra) curtem et palatium nostrum Inglinheim vocatum locum unum habentem sexaginta duos pedes in longitudine iuxta eum locum quem dedimus Argentinensis ecclesie Viderolto episcopo eiusdem mensure situm, ut ibi faciat aedificia sibi congrua in quibus manere possit, quotienscumque imperialis vel regalis conventus paschali aut alio tempore ibi habeatur..."
Übersetzung:
... auf sein Verlangen und Bitten hin haben wir [ihm] überlassen und gegeben ein Grundstück ("locum") innerhalb unseres Hofgutes bzw. Palastes, genannt Inglinheim, von 62 Fuß in der Länge (ca. 20 m) neben dem Grundstück, das wir dem Bischof der Kirche von Straßburg, Wilderold, gegeben haben, mit denselben Maßen, damit er sich dort passende Gebäude errichten kann, in denen er unterkommen kann, sooft dort kaiserliche oder königliche Hoftage abgehalten werden, an Ostern oder zu einer anderen Zeit."
Mit der Doppelung von Hofgut und Palast ist wahrscheinlich wie bei den sonstigen juristischen Doppelungen dieses Textes ("desiderio ac petitioni illius concessimus et dedimus") dasselbe gemeint, wobei "curtis" der zeitgenössische Begriff war und "palatium" der altertümliche Begriff, denn dieses Wort verschwand im 10. Jh. aus dem Gebrauch für das, was wir heute Pfalzen nennen.
Wahrscheinlich hat es also zu jener Zeit der häufigen Benutzung der Ingelheimer Pfalz eine ganze Reihe solcher Gästehäuser gegeben, auf Streifengrundstücken nebeneinander, deren Streifenbreite selbstverständlich war und deshalb nicht angeben wurde, nur die Länge.
Streifenhäuser der römischen Vici hatten normalerweise eine Breite zwischen 5 und 16 m und eine Länge bis zu 40 m (das Haus). Solche "mansiones" der Großen des Reiches sind nach Schmitz (Fiskus, S. 170) auch aus anderen Königspfalzen bekannt, aus Frankfurt, Regensburg, Pavia und Aachen. Wo in Ingelheim sie genau lagen, lässt sich diesem Wortlaut nicht entnehmen. Saalwächter vermutete sie im Saal selbst (BIG 14, S. 35). Dazu hätten aber schon einige der karolingischen Bauten beseitigt worden sein müssen. Gemeint ist wahrscheinlich auf dem Gelände des Königshofes (curtis) bzw. synonym dazu der Pfalz (palatium), denn beides wird "Ingelheim" genannt, ist also identisch. Wahrscheinlich kann man unter dem palatium nicht mehr die karolingische Pfalzanlage verstehen, deren Bauzeit schon über 200 Jahre zurücklag.
Wichtige Ereignisse jener Epoche in Ingelheim:
- 941 setzte Otto seinen aufständischen BruderHeinrich, den Herzog von Bayern, in Ingelheim in Haft.
- 948 Generalsynode in St. Remigiusin Anwesenheit König Ottos I. und des französischen Königs Ludwigs IV. zur Schlichtung von Streitigkeiten um die Besetzung des Bistums Reims
- 972 im Herbst eine große Synodefür die gesamte deutsche Kirche
- 973/4 erneute Gefangenschaft eines Herzogs von Bayern in Ingelheim: Heinrich "der Zänker", Sohn des Herzogs Heinrich (I.), der 941 hier gefangen war
- 980 zu Ostern eine große deutsche Synode unter Otto II.
- 1017 Heinrich II. feiert ein prächtiges Osterfest in Ingelheim
- 1018 Heinrich II. feiert das Pfingstfest in Ingelheim
- 1030 Konrads II. feiert das Osterfest in Ingelheim; gleichzeitig Synode, Hoftag und Hochverratsprozess gegen den Schwabenherzog Ernst
- 1036 Konrad II. feiert das Osterfest in Ingelheim
- 1040 Heinrich III. feiert Ostern (6. April)
Dies war das letzte königliche Osterfest in Ingelheim. Heinrichs längerer Aufenthalt dauerte bis Ende April (drei bis vier Wochen). Es kamen u. a. burgundische Große, dem König zu huldigen, und Erzbischof Aribert von Mailand, dem durch Vermittlung der versammelten Fürsten Versöhnung gewährt wurde. Der originale Text mit Übersetzung und Kommentar ist hier zu finden.
Drei Jahre später folgte noch Heinrichs Hochzeitsfest, das letzte große Reichsfest in Ingelheim:
- 1043 Hochzeitsfest Heinrichs III. mit Agnes von Poitou
Was sich ein halbes Jahrhundert später hier als letzte politische Reichshandlung abspielte, war nur mehr ein dramatisches Nachspiel:
- 1105, am 31. Dezember, wird Heinrich IV. (bekannt von seinem "Gang nach Canossa") von seinem Sohn in Ingelheim zur Abdankung gezwungen, in Anwesenheit von Fürsten eines aufständischen Mainzer Weihnachts-Hoftages.
Diese Vorgänge zeigen, dass sich das Leben im 11. Jh. wandelte; für Hoftage bevorzugt bzw. benötigt wurden nun nicht mehr ländliche Pfalzen wie Ingelheim, sondern die durch anwachsenden Handel aufblühenden Städte: z. B. Worms, Mainz, Frankfurt.
Ein wichtiger Grund dafür könnte die wachsende Geldwirtschaft gewesen sein, die es auch dem königlichen Hof ermöglichte, die Versorgungsleistungen nicht mehr nur auf naturalwirtschaftlicher Grundlage zu beziehen, sondern zunehmend von städtischen Märkten gegen Bezahlung.
Festtage, bei denen König und Königin "unter der Krone gingen" (s. u.) wurden nun in Bischofsstädten gefeiert. Zu diesem Zweck erhielten viele Bischofskirchen schon unter Heinrich II. ausgedehnte Schenkungen an Grundbesitz und Hoheitsrechten, eine Tendenz, die sich unter seinen Nachfolgern fortsetzte. Eindrucksvolle Zeichen dieses Wandels sind die großen Dombauten in Mainz, Lüttich, Worms, Basel, Paderborn, Merseburg, Straßburg und Speyer - der Speyerer Dom wurde geradezu zum Symbol eines romanischen Kaiserdomes.
Während die Pfalzen in karolingischer Zeit einen vorwiegend weltlichen Charakter hatten, wandelten sie sich unter den Ottonen zu Pfalzen, in denen in enger Verflechtung von weltlicher Macht und geistlicher Organisation (imperium und sacerdotium) Reichstreffen mit kirchlichen Treffen (Synoden) kombiniert wurden.
Denn die neuen Könige benutzten die Pfalzen außer zu Hoftagen häufig zu Bischofssynoden (in Ingelheim in St. Remigius) und Festtagsfeiern an Ostern. Sie wurden stets begleitet von feierlichen Auftritten von König und Königin im vollen Krönungsornat, sog. "Festkrönungen", unter den Ottonen mindestens siebenmal in Ingelheim, unter den Saliern noch mindestens dreimal.
Was wissen wir über die Ingelheimer Verhältnisse jener Zeit?
Classen stellte fest:
"Und doch vermag auch diese Zeit den Geschichtsschreiber des Ortes nicht voll zu befriedigen. Was wir erzählen können, das sind die Ereignisse weniger Tage und Wochen, an denen der Herrscher und seine Umgebung sich am Orte aufhielten. Von dem Orte selbst und seinen Bewohnern dagegen erfahren wir fast überhaupt nichts.
Es klingt wie eine Ironie, aber die einzigen, von denen wir wissen, daß sie längere Zeit am Ort gewohnt haben, waren die Gefangenen; denn Ingelheim diente auch als Gefängnis für Personen fürstlichen Ranges. Heinrich, der Bruder Ottos des Großen, wurde etwa vom Mai bis Dezember 941 dort festgesetzt, bis er am Weihnachtsfest in Frankfurt des Königs Verzeihung erhielt; und sein Sohn Herzog Heinrich II. von Bayern, "der Zänker", war vom Sommer 974 bis zum Beginn des Jahres 976 in Ingelheim der Gefangene seines Vetters, Kaiser Ottos II.
Unwillkürlich erhebt sich die Frage, wer die Pfalz in Abwesenheit des Königs verwaltete, wer für die Bewahrung der Gefangenen verantwortlich war; eine Frage, die um so brennender wird, als es beiden Heinrichen gelang, sich zu befreien. Wir hören nur, daß 941 ein Diakon der Mainzer Kirche seine Hand im Spiel gehabt haben soll, erfahren aber nichts über die eigentlichen Wächter und Verwalter der Pfalz". (S. 115)
Befriedigende Antworten auf diese Fragen gibt es bis heute nicht. Aber, um einen Vergleich mit unseren Zeit zu wagen: Was weiß man heutzutage gemeinhin über das Leben der Einheimischen in beliebten Urlaubsgebieten, die doch jeder zu kennen glaubt?
In einem Punkte muss man Classen aber widersprechen: Auch über die Ereignisse an solchen Festwochen sind wir nur sehr spärlich informiert (siehe unten).
Classen kann wenigstens ein Faktum anschließen, das aber auch nicht viel Aufschluss bringt: Ingelheim war in jener Zeit - ähnlich wie in der Römerzeit - durch Rechte und Pflichten noch eng mit der benachbarten Metropole Mainz verbunden. Wie andere Dörfer beiderseits von Rhein und Mainmündung waren auch die Ingelheimer deshalb zur Instandhaltung von 25 Zinnen der Mainzer Stadtbefestigung verpflichtet (Tribur 30, Nieder-Olm 24, Oppenheim mit Dienheim 18, Algesheim 16 Zinnen). Dafür genossen sie Schutzrecht in der Stadt und Abgabenfreiheit auf ihren Märkten.
Funktionswandel
Auch nach dem Ende der Nutzung des Ingelheimer Palastes für Großveranstaltungen blieben der Ingelheimer Königshof und das damit zusammenhängende Reichsgebiet, der in Kurpfälzer Zeit so genannte "Ingelheimer Grund", mit seinen Dörfern Königsbesitz, und die Einheimischen blieben reichsunmittelbar, ob Adlige oder nicht, sie blieben Mannen des Königs. Und diejenigen Erträge ihrer Höfe, die ursprünglich für den Unterhalt der Pfalz gedacht waren, flossen weiterhin in die königliche Kasse, sofern sie nicht auf Dauer an andere vergeben waren.
Der ehemalige Palast machte jedoch einen Funktionswandel durch. Denn vielleicht schon seit Heinrich IV. in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, aber spätestens in der Stauferzeit im 12. Jahrhundert wurde aus der repräsentativen Veranstaltungs-Pfalz der Karolinger und Ottonen eine burgähnliche Anlage, die die Außenmauern des verfallenen Palastes als Wehrmauern nutzte und von Burgmannen bewohnt war. Diese hatten nun Häuser im alten und im neuen, nach Süden erweiterten ("Zuckerberg") Palastgelände und bauten es für ihre Zwecke um, ob auf eigene Initiative oder auf königlichen Befehl hin: Der Palast wurde zur Burg und zum "Ingelheimer Saal". Salland war Herrenland, hier Land des Königs. Dieser in Ingelheim ausschließlich benutzte Begriff könnte ein Hinweis darauf sein, dass es fast nur noch das Saalgebiet war, das dem König im 13./14. Jh. gehörte.
Zugleich verschwand jede Erinnerung an die karolingisch-ottonische Zeit und man verstand aufgrund der schriftlichen Überlieferung, vor allem durch Einhard, unter der Ingelheimer Pfalz nur noch den Saal, während Remigiuskirche und Königshof keine Gegenstände der Erinnerung mehr waren. Auch die Erinnerung an den riesigen Halbkreisbau und die vielen Säulen, die mttlerweile als Ruinen im Boden versunken waren, verschwand, sodass sich Sebastian Münster den Ingelheimer Saal 1545 nur noch wie unten vorstellen konnte, als eine verfallende Burg mit Gebäuderesten im Westen und keiner Spur des Halbkreisbaues im Osten, abgesehen von gerundeten Verlauf der Wehrmauer.
Gs, erstmals: 12.08.07; Stand: 20.11.21