Autor: Hartmut Geißler
In späteren Auflagen ließ Sebastian Münster ein überarbeitetes Bild des Ingelheimer "Saales" abdrucken:
Die beiden Wappen sind nun in das Bild selbst eingefügt, das Innere ist vollständig mit weitgehend schematischen Häusern gefüllt, was sicherlich nicht der Realität entsprach (siehe Erläuterungen zu den früheren Auflagen). Die Gebäude im Vordergrund sind detaillierter, d.h. wahrscheinlich wirklichkeitsgetreuer dargestellt und zwei von ihnen wurden beschriftet (s.u.).
Überschrieben wird das Bild lateinisch-deutsch mit "Ingelhemica Aula, Ingelheimer Sal", wobei das Wort "Aula" (im Sinne von Hof) für das gesamte Saalgebiet verwendet wird, nicht etwa für die erst heute so genannte "Aula Regia". Dies entspricht völlig dem damaligen Sprachgebrauch. Deren Apsisreste hat Sebastian Münster nicht wahrgenommen, weil er Königshallen als Gebäudetyp wahrscheinlich gar nicht kannte.
Emmerling befasst sich in BIG 17, S. 21. ff. ausführlich mit dieser Abbildung. Wehrmauer und die drei Türme sind ähnlich vorhanden, der vorne links ist aber erheblich kleiner geworden und hat nun ein Obergeschoss aus Fachwerk mit einer spitzen Haube. Die Gebäude im Vordergrund sind perspektivisch anders gerückt. In der Mitte der hinteren Bebauung ist ein weiteres Gebäude durch einen Turm etwas herausgehoben.
Vor allem sind zwei Beschriftungen zur Bezeichnung von Gebäuden angebracht worden: Auf dem Kirchendach steht "Monasteriû" = Monasterium, Kloster, und oberhalb des rechten vorderen Turmes steht "Bolâder" = Bolander.
Mit dem Kloster ist das Chorherrenstift Karls IV. gemeint. Die Bolander, ein Reichsministerialen-Geschlecht aus dem 12. Jahrhundert, mit reichen Besitzungen in unserer Region, hatten unter den Staufern die Vogtei über den Ingelheimer Grund inne. Eine von ihnen errichtete "Zollburg", die 1254 vom Rheinischen Städtebund zerstört wurde, wird damit in Verbindung gebracht.
Der kleine Turmanbau links vom Tor hat nun zwei Doppelarkadenfenster im oberen Bereich bekommen. Emmerling hält ihn für bewohnt und meint einen ähnlichen Turm auf einer Rheingaukarte von 1573 zu erkennen, wo ich ihn nicht erkennen kann.
Das langgestreckte Gebäude dicht hinter der Mauer, über dem "Monasterium" steht, zeigt wohl Rundbogenfenster. In den zwei Fensterreihen seines nach Norden (=links) gewandten Giebels sieht Emmerling einen Hinweis auf die Bewohnung durch die Chorherren des Klosters.
Das hohe, mehrstöckige Gebäude links (= nördlich) davon hält er für eines aus dem 16. Jahrhundert, das man bis etwa 1850 bildlich verfolgen könne.
Gs, erstmals 26.08.06; Stand: 01.05.21