Sie sind hier:   Ober-Ingelheim > Stiegelgässer Tor  > Mietvertrag "Stiegelthor"

1803 Versteigerung und Mietvertrag für das "Stiegelthor"

 

Autor: Hartmut Geißler
aus: StA Ingelheim, Rep. I/609, 1


Im Stadtarchiv ist ein Mietvertrag aus dem Jahre 1803 erhalten, also aus französischer Zeit, als man solche Tore nicht mehr zur Zollerhebung brauchte. Zehn Jahre später wollte der Departements-Präfekt Jeanbon de S. André alle Tore - angeblich zur Verkehrserleichterung - abreißen lassen, wogegen die Gemeinde vergeblich mit dem Hinweis auf die Vermietung protestierte. Bei einem Verkauf wären die Verkaufserlöse nämlich nicht der Gemeinde, sondern dem französische Staat, das heißt, Napoleons Kriegen zugeflossen. Aber am Jahresende mussten die Franzosen aus Mainz abziehen, und das Torhaus blieb noch viele Jahre stehen, wahrscheinlich wegen der Gemeindeeinnahmen; bis wann, ist noch nicht geklärt. Die Türme, die immer noch die Straße verengen, stehen bis heute, wobei der östliche zeitweise in ein Haus integriert war.


„Heute, den achtzehnten Thermidor eiften (elften) Jahres (6.8.1803), hat der Maire (Bürgermeister) der hiesigen Gemeinde nach vorher geschehner Bekanntmachung, im Beisein der unterzeichneten Glieder des Municipalraths (Gemeinderats) die Versteigerung der Wohnung auf dem Stiegelthor in einen sechsjährigen Bestand (Vermietung) vorgenommen, unter folgenden Bedingungen:
 

1. Geschieht der Einzug des Beständers auf den 21ten brimaire zwölfen (13.11.1803) und der Auszug am nämlichen Tag des achtzehnten Jahres.

2. Genießet derselbe während der Bestands-Zeit nicht allein die Wohnung, sondern auch das im dabei seyenden gemeinen Graben, ohne daß er berechtigt wäre, solches im geringsten zu Vergrößer[n].

3. Dach und Gefach (Fachwerkmauern) wird auf Kosten der Gemeind mit erhalten, Fenster und alle übrigen in dem Hauße befindliche Sachen muß Ansteigerer in dem nämlichen Zustand hinterlassen, in welchen Sie bei dem Einzug sich befinden werden…"

Mietdauer vorerst 6 Jahre.


Zu dieser Mietwohnung im Obergeschoss der Pforte gehörte ein Stückchen Land, wahrscheinlich die Parzelle östlich (oberhalb) des Tores am Graben. Links und rechts wurden Wirtschaftsgebäude angebaut; auch das kleine Quadrat mit der Parzellennummer 86 ist als Ökonomiegebäude hellbraun gekennzeichnet. Verbirgt sich darunter die ehemalige Stiegel? - Das ist ungeklärt. Der Grundriss dieses Quadrates scheint in der heutigen Grünanlage durch ein Mauerquadrat nachempfunden zu sein.


Das Dach und das Fachwerk des Torhauses wollte die Gemeinde unterhalten, alles andere war Sache der Mieter.


Gs, erstmals: 09.12.20; Stand: 23.02.21