Autorin: Margarete Köhler (2000)
Überarbeitung und Fotos: Hartmut Geißler
Dank an Dr. Anselm Graf von Ingelheim für hilfreiche Hinweise!
Vgl. Geißler, Adelsfamilien
Ab dem 12. Jahrhundert finden sich gesicherte urkundliche Erwähnungen Adliger aus Ingelheim, erstmals 1140 in einer Urkunde König Konrads III. für das Kloster Johannisberg im Rheingau, die u.a. auch einen Reichsministerialen "Gerlach genannt von Ingilnheim" nennt ("donata a quodam ministeriali nostro Gerlaho nomine de Ingilnheim" - MGH DD Konrad III Nr. 41, S. 67). Dieser hatte dem Kloster einige Güter geschenkt.
Die in Echters Stammbaum genannten frühen Vorfahren, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen und "Pfalzgrafen" gewesen sein sollen, sind lediglich den Turnierbeschreibungen Rüxners entnommen und wahrscheinlich frei erfunden. In solch frühen Zeiten war es im Übrigen noch gar nicht üblich, die Bezeichnung mit nur einem einzigen Namen durch Hinzufügung einer Herkunftsbezeichnung zu ergänzen. Das heißt: Es gab im 10. und 11. Jahrhundert noch gar keine "von Ingelheim".
Die "Ingelheimer" waren also königlich Bedienstete ("Ministeriale") in Ingelheim, später erscheinen sie als Schultheißen bzw. Oberschultheißen und gehören als Schöffen dem Oberhof, einem Appellations- und Schiedsgericht mit weiter regionaler Bedeutung, und den Ortsgerichten an.
Die Stammhäuser der Familie lagen in der Stiegelgasse des heutigen Ober-Ingelheim, wo sie sich in zwei verschiedenen Linien (die "Kinder von Ingelheim" und die "Buser/Beuser von Ingelheim") etablierte.
Im 14. Jahrhundert, als viel Reichsgut an Territorialherren verpfändet wurde, konnte der Kurfürst Ruprecht I. den Ingelheimer Grund für die Pfalz am Rhein als Reichspfandschaft erwerben. Dadurch wurden die Herren von Ingelheim kurpfälzischen Vasallen.
Im 15. Jahrhundert war die Familie wohl maßgeblich am Ausbau der heute so genannten Burgkirche - damals St. Wigbert - zu einer dreischiffigen spätgotischen Kirche beteiligt, die auch als Grab- und Gedächtniskirche für sie diente. Der Schlussstein im mittleren Joch zeigt ihr Wappen, das geschachte Kreuz (Bild oben).
Bis ins 16. Jahrhundert hinein lebte die Familie jedoch in den relativ bescheidenen Verhältnissen des niederen Landadels.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg boten sich neue Chancen, wirtschaftlichen und sozialen Einfluss zu gewinnen. Im Unterschied zu ihrem Kurpfälzer Landesherren waren die von Ingelheim katholisch geblieben. Sie orientierten sich deshalb zu Kurmainz hin und begründeten damit ihren gesellschaftlichen Aufstieg.
Es gelang ihnen ab der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Ämter im Mainzer Kirchenstaat zu erlangen, verwandtschaftliche Beziehungen zu wichtigen Adelsgeschlechtern zu knüpfen und größeren Besitz zu erwerben (Hunsrück, Rheingau, Mainfranken).
Kaiser Leopold I. ernannte die Ingelheimer 1680 zu Reichsfreiherren und erlaubte ihnen 1698 nach Einheirat, Wappen und Namen der erloschenen Familie Echter von Mespelbrunn zu übernehmen. Schließlich erfolgte 1737 die Erhebung in den Reichsgrafenstand durch Karl VI. Rechts: das vereinigte Wappen von Echter und Ingelheim (wikipedia)
Die Auswirkungen der Französischen Revolution veranlassten die Herren von Ingelheim, ihre linksrheinischen Besitzungen aufzugeben und sich stattdessen auf den Ausbau ihrer Position im Rheingau und vor allem in Mainfranken zu konzentrieren.
1. Ritter Philipp von Ingelheim, † 1431 im Lothringer Erbfolgekrieg bei Bulgnéville
Von Philipp von Ingelheim wissen wir, dass er als Ritter am 2.7.1431 im Zuge von Erbstreitigkeiten zwischen René von Bar und Graf Antoine von Vaudémont gefallen ist. Im Hintergrund dieses Krieges stand der säkulare Gegensatz zwischen der französischen Krone und den Herzögen von Burgund während des "Hundertjährigen Krieges": Burgund unterstützte Antoine und der französische König stand auf Seiten von René.
Herzog Karl II. von Lothringen hatte mit dem Erzbischof von Verdun und Kardinal Louis de Bar vertraglich vereinbart, dass Karls Tochter Isabella mit dem vom Erzbischof adoptierten Großneffen und späteren Herzog René von Bar vermählt werden solle, damit die Länder Bar und Lothringen bei Karls Tod unter einer Herrschaft vereinigt würden. Als Herzog Karl am 25. Januar 1431 verstarb, erhob jedoch der Graf von Vaudémont seinerseits Ansprüche auf Lothringen. Bei dem hieraus folgenden Krieg unterstützte auch Pfalzgraf Ludwig bei Rhein mit einem Aufgebot pfälzischer Ritter den Herzog René von Bar.
Er endete mit einer katastrophalen Niederlage Renés. Unter den zahlreichen Toten waren neben Philipp von Ingelheim auch viele andere Mitglieder des pfälzischen Adels. Der Mainzer Meistersinger Bernkopf, genannt Frauenzucht, hat die Begebenheit in einem Heldenlied verewigt, aber auch kritisiert.
Ein Epitaph, das dem nachträglichen Gedenken Philipps gewidmet ist, befindet sich wie das seiner Frau Mia und seines Sohnes Hans in der Ober-Ingelheimer Burgkirche.
2. Ritter Hans von Ingelheim, † 1480
Johannes ("Hans"), ein Sohn von Philipp, pflegte gute Beziehungen sowohl zur Kurpfalz als auch nach Mainz. Er war u. a. Burgherr zu Klopp (im kurmainzischen Bingen), Zollherr von Ehrenfels, der ergiebigsten Kurmainzer Zollburg am Binger Loch, und Lehensherr des Klosters Lorsch, außerdem Lehensherr des Kirchenschatzes von Bettenheim, einer ehemaligen Siedlung in der Gemarkungen Sprendlingen, und Lehensherr von Schweppenhausen.
Zum Schöffen am Ingelheimer Reichsgericht wurde er 1451 gewählt.
In den Jahren 1470 und 1475 war er jeweils einer der beiden Bürgermeister in Oppenheim, wo auch sein Verwandter Heinrich Wolff von Sponheim zeitweise als Bürgermeister amtierte.
Hans soll dem Kurfürsten Dietrich von Mainz (1434-1459) ein Kapital von 780 Gulden geliehen haben. Es war freilich nicht ungewöhnlich, dass Mitglieder des Beraterkreises um den Kurfürsten diesem Kredite gaben oder für ihn bürgten, denn Banken im heutigen Sinne gab es damals in unserer Region noch nicht.
In einer Urkunde vom 6. Februar 1470, in der Deputierte der Reichsstädte Hagenau, Colmar, Schlettstadt und Oberehnheim im Streit zwischen Pfalzgraf Friedrich I. und der Stadt Weißenburg vermittelten, befindet sich unter den sechs Adligen, die als Schiedsgericht fungierten, an fünfter Stelle ein „herre Hannsenn vonn Ingelnheim“. Damit dürfte er gemeint sein.
Vielleicht war er es auch, wenn nicht schon seine Mutter Mia Werberg von Lindenfels, der den Auftrag für die Epitaphien seiner beiden Eltern (Ritter Philipp und Mia Werberg von Lindenfels) gab, weil er sich das wahrscheinlich leisten konnte. Verheiratet war Hans mit einer Elisabeth („Lisa“) Wolfin von Sponheim, also aus der Familie derer von Sponheim, deren Epitaph ebenfalls in der Burgkirche hängt.
Auf seinem Epitaph wurde er in deutscher Sprache mit drei lobenden Eigenschaftswörtern bedacht: "der holtselig loiblich strenge her".
3. Anselm Franz von Ingelheim (Kurfürst und Erzbischof) * 1634 Köln, † 1695 Aschaffenburg
Bereits vor ihm hatten andere Familienmitglieder einflussreiche Positionen am kurmainzischen Hofe innegehabt. Sein Vater Georg Hans von Ingelheim führte den Titel eines Kurmainzischen Marschalls und Rates, und sein Vetter Marsilius Gottfried gehörte zum diplomatischen Umfeld sowohl des für seine Rheinbund-Aktivitäten bekannten Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn als auch der nachfolgenden drei Übergangs-Kurfürsten. Anselm Franz wurde am 16. September 1634 in Köln geboren, wohin seine Eltern während der Schwedenherrschaft am Rhein geflohen waren. Er wählte den geistlichen Stand und studierte in Pont-à-Mousson. Er erhielt 1660 die Priesterweihe, wurde Domherr in Mainz, seit 1674 auch Stadtkämmerer. 1675 wurde er Mainzer Statthalter in Erfurt, und am 7. November 1679 wurde er mit tatkräftiger Unterstützung des Wiener Hofes zum Mainzer Kurfürst-Erzbischof gewählt.
Wenn mit der Erlangung dieses Amtes auch ein großer Erfolg errungen war, so hatte er doch mit der Erzkanzlerschaft eine schwere Aufgabe übernommen. Er musste im Spannungsfeld zwischen Habsburgern und Bourbonen agieren, im Kontext der Hegemonialbestrebungen Ludwigs XIV, dessen "Reunionen" im Elsass und in Lothringen und dessen Erwerb der Stadt Straßburg er mit so großer Freude verfolgte, dass er aus Dankbarkeit für den Friedensschluss dem Dom eine prachtvolle Monstranz aus Gold und mit Brillanten verziert stiftete.
Im Oktober 1688 spitzte sich die Situation zu, als die Festung Mainz mit nur 8.000 Mann Besatzung von einem 20.000 Mann starken französischen Heer bedroht wurde und Anselm Franz in die Kapitulation einwilligen musste. Der Kurfürst wich schließlich am 22. November 1688 über Aschaffenburg nach Erfurt aus. Zwischen den Franzosen und dem herbeigerufenen Habsburger Befreiungsheer entbrannten schwere Kämpfe, die zwei Monate andauerten. Der Pfälzische Erbfolgekrieg kam indessen voll in Gang und Anselm Franz kehrte nicht mehr nach Mainz zurück, sondern blieb in seiner fränkischen Residenz Aschaffenburg, obwohl Mainz mit 10.000 französischen Besatzern am 9. September 1689 von den Reichstruppen mit 60.000 Mann wieder zurückgewonnen wurde. Dabei wurden durch Bombardements große Verluste in der Stadt angerichtet.
Im Jahre 1689 schrieb er den Reichstag zu Regensburg aus. Er krönte 1689 die Ehefrau des Kaisers Leopold I., Eleonora Magdalena, zur Kaiserin sowie ihren Sohn Josef 1690 zum König von Ungarn.
Nach einem letzten prachtvollen Auftreten auf dem Kurfürstentag zu Augsburg im Jahre 1690 zog er sich ganz in seine Residenz Aschaffenburg zurück. Er litt unter starken Gichtbeschwerden.
Dort starb er am 30. März 1695. Seiner letztwilligen Verfügung entsprechend erhielt er in der Aschaffenburger Stiftskirche St. Peter und Alexander ein Begräbnis, während sein Herz im Mainzer Dom und seine Eingeweide in St. Gangolph beigesetzt wurden.
Im Dom ließ ihm sein Neffe und Erbe Franz Adolf von Ingelheim ein prächtiges Epitaph aus schwarzem und weißem Carrara-Marmor errichten. Es ist an einem vorderen Pfeiler der rechten Reihe angebracht mit Blick zu den Fenstern des Kreuzganges. Sein Wappen bestand aus je zwei kreuzweise angeordneten Wappen von Mainz (Speichenrad) und seiner Ingelheimer Familie (geschachtes Kreuz).
Die "Ingelheimer Au", eine Halbinsel im Rhein bei Mainz-Mombach, wurde von ihm erworben und trägt von daher den Namen der "Ingelheimer"; sie ist also keine Insel, die zu Ingelheim gehört hätte.
4. Sein Neffe Franz Adolf Dietrich von Ingelheim ( *1659 †1742) studierte Rechtswissenschaft in Mainz, wurde Mainzer Hofrat, Mitglied des Geheimen Rates und Viztum des Rheingaus. Am Reichskammergericht in Wetzlarwurde er Richter.
5. Dessen ältester Sohn Anselm Franz (* 1683 †1749) amtierte eineinhalb Jahre lang als Fürstbischof von Würzburg und Herzog in Franken.
6. Anton Dieterich Carl von Ingelheim (Großneffe des Kurfürsten), * 1690 † 1750, einer seiner Söhne, war Chorbischof von Trier, Kapitular von Lüttich, Kaiserlicher Geheimer Rat sowie bei Wahl und Krönung von Kaiser Karl VII. und Franz I. Kurtrierischer Erster Botschafter
7. Friedrich Carl Josef von Ingelheim, * 1777 † 1847, gründete das Corps der Frankfurter Jäger und kämpfte gegen Napoleon, weswegen alle noch verbliebenen linksrheinischen Güter der Familie verloren gingen.