Autor: Hartmut Geißler
Hesse, Rheinhessen (1835), Brillmayer (1905), Gemeindelexikon (1909) und Ingelheim 74 sowie das Stat. Landesamt geben folgende Daten an (ohne Heidesheim und Wackernheim):
Ort | 1815 | 1834 | 1861 | 1885 | 1905 | 2007 |
Ober-Ingelheim | 1738 (100%) | 2371 (136%) | 2673 (154%) | 3160 (181%) | 3402 (196%) | |
Nieder-Ingelheim (mit Sporkenheim) | 1360 (100%) | 2130 (157%) | 2352 (173%) | 2729 (200%) | 3435 (253%) | |
Großwinternheim | 677 (100%) | 797 (118%) | 811 (120%) | 814 (120%) | ||
Frei-Weinheim | 192 (100%) | 439 (229%) | 606 (316%) | 701 (365%) | 838 (436%) | |
Summen | 3967 (100%) | 5737 (145%) | 6442 (162%) | 8489 (214%) | 24414 (615%) |
Man sieht, dass sich die Bevölkerung der Gemeinden der Stadt Ingelheim (ohne Heidesheim und Wackernheim) im 19. Jahrhundert (gerechnet von 1815 bis 1905) mehr als verdoppelt hat (auf 214%). Dabei ist eine sehr starke Zunahme schon in den ersten zwei Jahrzehnten von 1815 - 1834 zu bemerken, also noch vor dem Beginn der Industrialisierung!
Das Wachstum verlief leicht unterdurchschnittlich in Ober-Ingelheim (196%), stark überdurchschnittlich in Nieder-Ingelheim (253%), rasant in Frei-Weinheim (436%) und nur gering in Großwinternheim (120%), dessen Bevölkerungszahl von 1834 bis 1905 fast stagnierte.
Das 20. Jahrhundert, vor allem die Zeit nach 1960, brachte ein weiteres Wachstum von Ingelheim, dessen Einwohnerzahl am 31.12. 2007 bei 24.414 lag (Stat. Landesamt), also seit 1905 nochmals verdreifacht, bzw. vom Jahr 1815 aus gehend, mehr als versechsfacht. Auch dabei fand wiederum das größte Wachstum in der größten Gemarkung des alten Nieder-Ingelheim statt.
Die Ursachen für das Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert, auch schon vor der Industrialisierung, sind nach Hennig in folgenden Lebensumständen zu suchen:
- bessere medizinische Versorgung und die Hebung des Lebensstandards
- Fehlen von Epidemien, größeren Kriegen und Hungersnöten
Man wird hinzufügen müssen, dass auch die landwirtschaftlichen Fortschritte im 19. Jahrhundert (Düngung, Züchtung etc.) die Ernährungsbasis in der Landwirtschaft vergrößert haben, so dass etwa in Frei-Weinheim das Wachstum noch vor der Industrialisierung besonders stark war. Dort war außerdem der Anteil der katholischen Bevölkerung am größten von allen Ingelheimer Orten, und die Konfession hatte damals nocheinen nicht geringen Einfluss auf die Kinderzahl.
Topp, S. 45, gibt die Bevölkerungszunahme nach Konfessionen an, und zwar von Frei-Weinheim, Nieder-Ingelheim und Ober-Ingelheim:
Zunahme der Bevölkerung nach Konfessionen in Prozenten | |||
FW | 1824 - 1910 1910 - 1933 | ev.: 119 27 | kath.:152 38 |
NI | 1824 - 1910 1910 - 1933 | 107 36 | 122 29 |
OI | 1824 - 1910 1910 - 1933 | 49 21 | 81 22 |
Anteil der Konfessionen in % an der Gesamtbevölkerung | ||||||
Jahr | Frei-Weinheim | Nieder-Ingelheim | Ober-Ingelheim | |||
ev. | kath. | ev. | kath. | ev. | kath. | |
1824 | 34,7 | 65,3 | 57,2 | 41,6 | 66,9 | 27,4 |
1910 | 31,3 | 67,9 | 55,1 | 42,9 | 59,5 | 29,8 |
In allen diesen drei Orten (Großwinternheim war beim Erscheinen des Buches von Topp 1966 noch nicht eingemeindet und deshalb auch von ihm nicht einbezogen) vergrößerte sich der Anteil der katholischen Bevölkerung, der ohnehin in Frei-Weinheim am größten war (ca. zwei Drittel). Der fehlende Anteil bis zu den 100 % ist auf den jüdischen Bevölkerungsteil zurück zu führen, der besonders in Ober-Ingelheim bedeutend war. Die ursprünglich höhere Kinderzahl katholischer Familien in Frei-Weinheim glich sich aber bis 1939 der Kinderzahl in den Orten mit überwiegend evangelischer Bevölkerung an.
Topp hat eine ungefähre "Familienstärke aus den Zahlen der Einwohner geteilt durch die Haushalte errechnet, wobei in den Haushalten aber durchaus auch noch Großeltern u.a. zu versorgende Verwandte inbegriffen sein können (S. 46):
"Familienstärke" | |||
Jahr | Frei-Weinheim | Nieder-Ingelheim | Ober-Ingelheim |
1861 | 5,1 | 4,8 | 4,7 |
1890 | 4,6 | 4,5 | 4,4 |
1939 | 3,6 | 3,5 | 3,3 |
Die Anzahl der Familienmitglieder, also vor allem die der Kinder, sank also überall, am stärksten im 20. Jahrhundert. Das weitere Wachstum von Ingelheim (s.o.) ist seitdem vor allem in Zuzügen, nicht in einer hohen Kinderzahl begründet.
Zum Vergleich das Bevölkerungswachstum von ganz Rheinhessen:
Hans Bentz, S. 14, hat 1930 aus verschiedenen Quellen das Bevölkerungswachstum von Rheinhessen und die Verschiebungen in den Beschäftigungsstrukturen, unterschieden nach einzelnen Orten, untersucht. Danach ergab sich folgendes Bevölkerungswachstum ganz Rheinhessens im 19. Jahrhundert.
Dabei bedeuten
E = Gesamtbevölkerung und
d = Bevölkerungsdichte (E pro km2)
Diese Zahlen lassen ein starkes Bevölkerungswachstum in Rheinhessen das ganze 19. Jahrhundert über erkennen, wobei der Höhepunkt des Wachstums in den Jahren 1861 bis 1882 liegt.
Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts hingegen fand in der gesamten Region kaum noch Wachstum statt. Graphisch umgesetzt ergibt dies für den Zeitraum 1861 bis 1925 folgendes Bild (Tafel II):
Die Graphik zeigt zum einen das Bevölkerungswachstum Rheinhessens insgesamt, sie zeigt aber auch, dass die landwirtschaftlich Beschäftigten zwar in absoluten Zahlen ziemlich konstant bleiben, relativ dagegen zurückgehen.
Bis zur Zählung 1907 sind die Erwerbstätigen in Industrie, Handel und Verkehr sowie die nichtmateriellen Berufe stark angestiegen, danach nur noch Handel und Verkehr und die damals so genannten "nicht materiellen Berufe" (also etwa der heute so genannte "Tertiäre Sektor").
Zur Ergänzung sei hier auf den entsprechenden Artikel von Martina Rommel in Ingelheim am Rhein 2019 verwiesen.
Gs, erstmals: 26.02.07; Stand: 29.12.19