Autor: Hartmut Geißler
aus der eine fotografischen Kopie des Ingelheimer Archivs und
nach Blattmann, S. 58ff.
Unten: ein Blatt aus diesem Haderbuch von einer Fotografie des Ingelheimer Archivs (S. 19 auf der CD Finkenauer). Für Ungeübte ist die Schrift mit ihren vielen Abkürzungen und der stichwortartige Stil sehr schwer zu entziffern bzw. zu verstehen. Selbst das Team der Mainzer Universität, das das Haderbuch OI 1476-1485 im Jahre 2011 herausgegeben hat, musste an einigen Stellen kapitulieren.
Die meisten Zeilen beginnen mit "Item" (=ebenso). Am Rand sind oft Namen u.ä. als zusätzliche Stichworte zum leichteren Auffinden notiert worden.
Das Buch ist in Pergamentdeckel eingebunden mit der Vorderaufschrift Had[er]buch Ober-Ing[ilnhei]m de anno / mcccxcviij usque xiiijc cxiij. Es enthält 36 Lagen auf 303 Papierblättern in den Maßen 21 x 31 cm, d.h. die Seiten sind ebenso breit, aber etwas länger als ein heutiges DIN A4-Blatt.
Als Beispiel für typische Einträge in den Haderbüchern zitiert und erläutert Marita Blattmann den Anfang von f. 2v des Ober-Ingelheimer Haderbuches von 1398-1413 vom 7. Mai 1398:
1. Actum feria secunda [durch Unterstreichung getilgt] tertia post Cantate.
| 1. Geschehen am zweiten dritten Wochentag nach [dem Sonntag] Cantate
|
Die Tageseinträge beginnen jeweils mit einem lateinischen Datum und geben dann in abgebrochenen Sätzen bzw. Stichworten die verhandelte Sachen in ein bis zwei Zeilen wieder, wobei jede Sache in einer neuen Zeile mit "Item" (lat. "ebenso") beginnt.
Der Inhalt der Zeilen besteht dann aus
- dem Namen des das Gericht Anrufenden
- einem gerichtsspezifischen Verb
- der Nennung der anderen Partei und
- einer kurzen Angabe zur Sache selbst.
Inhaltlich handelt es sich hierbei ausschließlich um finanzielle Schulden, um die sich heute die Kredit gebenden Banken, die es damals noch nicht gab, bzw. das Amtsgericht mit dem Gerichtsvollzieher, den es damals auch noch nicht gab, kümmern würden.
Die Fortsetzung des Prozesses folgte meist im vierzehntägigen Rhythmus ("virczinhentagen"), manchmal auch schon nach einer Woche, so dass man sich den gesamten Prozessverlauf aus den weiteren Daten zusammensuchen muss.
Nicht immer sind die Einträge so kurz. Blattmann zitiert als Beispiel für einen längeren Eintrag folgende Episode aus demselben Ober-Ingelheimer Haderbuch vom 27. August 1398 (Blattmann, S. 62), die eine Rauferei mit Körperverletzung, Beleidigung und Schadensersatzansprüchen zum Inhalt hat:
Item Heppichin hat beclaid Cunczen Burghard, daz er in geslagen habe und in den dreg geworfen, daz ime schade; had Cuncze geantwortet und bekennet, daz er in geslagen habe, dann er hiesse in einen schalk und einen bosewicht, und ys ime leit, daz dez als wenig sy gewest. Darubir unschuldig. | Ebenso hat Heppichin angeklagt den Kunz Burghard, dass er ihn geschlagen habe und in den Dreck geworfen, so dass ihm Schaden [entstanden sei]; [da] hat Kunz geantwortet und bekannt, dass er ihn geschlagen habe, denn er nannte ihn einen Schalk und einen Bösewicht, und es tue ihm leid, dass dessen [des Schadens?] so wenig gewesen sei. Darüber [hat das Gericht befunden:] unschuldig. |
Gs, erstmals: 31.12.08; Stand: 19.12.20