Autor und Fotos: Hartmut Geißler
unter Benutzung von Jacob, Sauer und
Spiess, Reichsministerialität
Das Geschlecht derer von Bolanden lässt sich erstmals mit Werner (I.) in einer Urkunde des Königs Lothar III. ("Kaiser" erst ab 1133) aus dem Jahre 1128 nachweisen, in der er unter die "ministeriales regni", die "Dienstmannen des Königreiches", gezählt wurde. Im Jahre 1130 erscheint er auch als Ministerialer unter den Zeugen einer Urkunde des Mainzer Erzbischofs Adelbert I., vielleicht also auch (?) im Dienst des Mainzer Erzstifts.
Von der Stammburg (Alt-)Bolanden, einer Niederungsburg beim Bolanderhof, ist gar nichts mehr erhalten. Auch von der Nachfolgeburg (Neu-)Bolanden oberhalb des gleichnamigen Ortes existieren nur noch wenige Reste, eine Aussichtsplattform auf einem Turmstumpf und von Gebüsch überwucherte Mauerteile. Das Bild zeigt den Blick am Turmstumpf vorbei auf den Ort und den nahen Donnersberg. Im Zentrum der ehemaligen Burganlage gedeiht heute ein Wingert.
Von der Hauptlinie "Bolanden" spalteten sich schon früh (ca. 1241) durch Erbteilungen zwei Seitenlinien ab, die länger als die verarmte Hauptlinie existierten, deren Besitz die Kurpfalz 1376 übernahm:
a) die Seitenlinie "Hohenfels" mit Besitzungen vor allem im Mittelrheintal (bis 1602, benannt nach einer ruinösen Burg im südlichen Donnersberg oberhalb des umfangreichen Bergbaugebietes bei Imsbach, heute im Wald verborgen und nur durch Wandern erreichbar):
Vom Wald überwucherte Mauerreste der ehemals bedeutenden Burg Hohenfels, die vermutlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhundert auf Veranlassung der Abtei Prüm/Eifel erbaut wurde, der das ganze Bergbaurevier seit dem 9. Jahrhundert gehörte. Sie bewachte das Eisenerz-Bergbaugebiet im Langental sowie eine durchziehende Straße. Man hat bei den Ausgrabungen Schlacken und Bergmannswerkzeuge gefunden. Noch im 12. Jahrhundert wurde die Burg an die Bolander verlehnt (Quelle: Informationstafel). Nach ihr benannte sich die Nebenlinie der Bolander.
Während sie heute inmitten eines großen zusammenhängenden Wald- und Naturschutzgebietes (Beutelfels) liegt und ihre 1932/33 ausgegrabenen Reste kaum sichtbar sind, muss man sich ihre Umgebung im Mittelalter bei laufendem Bergbaubetrieb völlig anders vorstellen: die Burg auf einer völlig waldfreien Höhe, ringsum Köhlereien zur Herstellung von Holzkohle und Verhüttungsanlagen.
Im Jahre 1352 soll sie durch Truppen der Grafen von Sponheim und Veldenz und der Städte Speyer und Worms als "Raubritterburg" zerstört worden sein. Auch die Hohenfelser mussten 1386 drei Viertel ihres Besitzes an die Kurpfalz verkaufen.
Unten: ihr Grundrissplan von der Infotafel an der Burgruine:
b) die Seitenlinie "Falkenstein" (bis 1407, gleichfalls benannt nach einer Burg im gleichnamigen Ort südwestlich des Donnersberges)
Unten: Eingang zur Burgruine Falkenstein - in die noch am besten erhaltene der drei Burgen
Die Falkensteiner beerbten 1258 das Ministerialengeschlecht Münzenberg und damit die Landvogtei über die Wetterau und die Reichsvogtei im Dreieichforst. Ihr neuer Lebensmittelpunkt wurde daher das Gebiet des Taunus, wo sie sich eine neue Burg – Neufalkenstein – bauten, von der Reste neben dem Ort Falkenstein erhalten sind.
Zwei Falkensteiner stellten im ausgehenden 14. Jahrhundert Bischöfe von Trier: Kuno II. (1366 – 1388) und Werner (1388 – 1418). Im Jahre 1398 stiegen sie in den Reichsgrafenstand auf.
Schon 1129 waren die Bolander offenbar so reich (wahrscheinlich vom Bergbau am Donnersberg), dass sie sich ein eigenes Hauskloster gründen konnte, ein Augustiner- Chorherrenstift, das dem Erzbischof in Mainz unterstellt wurde und dessen "Vogt" (s. u.) Werner I. wurde. Es wurde Hane genannt und liegt am nordöstlichen Ende des Ortes Bolanden.
Unten: Klosterkirche mit Kirchhof der ehemaligen Abtei Hane
Das Augustiner-Chorherren-Stift wurde später von Prämonstratensern übernommen, zuerst zum Doppelkloster für Mönche und Nonnen ausgebaut, dann nur noch Nonnenkloster. König Heinrich VI. stellte es auf Betreiben der Bolander 1193 unter den besonderen Schutz des Reiches. Im 16. Jahrhundert wurde es säkularisiert, als in Kirchheim-Bolanden, das damals zum Herzogtum Nassau-Weilburg gehörte, das lutherische Bekenntnis eingeführt wurde. Seitdem wurde es nicht mehr kirchlich genutzt und 1689 von den Franzosen verwüstet. Das noch Erhaltene wurde im 20. Jahrhundert restauriert.
Zeitweise verfügten die Bolander am Mittelrhein über einige Burgen, die ihnen durch Zölle erhebliche Einnahmen und den Handelsstädten am Rhein ärgerliche Kosten brachten, beginnend mit der Burg Sterrenberg bei Kamp-Bornhofen, die schon Werner II. als Reichslehen trug und die auch in und nach der Zeit, als der Rheinische Städtebund gegen ungerechtfertigte Zölle vorging (1254-1256), weiter Zölle erhob; vor allem aber im 13. Jahrhundert mit den Burgen bzw. Zöllen von Reichenstein (bei Trechtingshausen), von Kaub und Schönberg (bei Oberwesel). Für den Erzbischof von Mainz baute Werner III. von Bolanden die Burg Ehrenfels (in den Jahren 1208-1220) aus, die am Binger Loch besonders hohe Einnahmen von der Schifffahrt in beiden Richtungen brachte und sich zu einer der wichtigsten Finanzquellen des Mainzer Erzstifts entwickelte. (Volk, S. 504)
Die Erhebung der als ungerechtfertigt angesehenen Zölle am Mittelrhein wurde erst unter König Richard von Cornwall ab 1269 eingestellt. Mit dem Ende der staufischen Königsherrschaft in Deutschland (ca. 1250) und finanziellen Problemen endete der Aufstieg der Bolander Hauptlinie, ihre Macht zerfiel.
Immerhin wurde 1249 noch Christian (II.) von Bolanden Erzbischof von Mainz, wo er vorher schon Dompropst gewesen war; er musste freilich bereits nach zwei Jahren auf Druck des Vatikans zurücktreten.
Und Friedrich von Bolanden amtierte dreißig Jahre lang (von 1272 bis 1302) als Bischof von Speyer.
1. Die Zeit Werners II. und das erste Lehenverzeichnis
Nach der Pause unter Lothar und Konrad wird nach 1129 bzw. 1130 erstmals im Jahre 1156 wieder ein Werner (II.) von Bolanden in einer wahrscheinlich gefälschten Urkunde der Stadt Worms erwähnt, wo er als Vogt zum Schutz der Stadt im Auftrag Kaiser Friedrichs I. genannt wird, was er (nach Jacob) in späteren Jahren wohl auch tatsächlich war.
Ab 1157 taucht dieser Werner (II.) dann aber mit Sicherheit in einigen Urkunden des Erzbistums Mainz und in der Lebensbeschreibung des Erzbischofs Arnold von Selenhofen auf. Vielleicht stand er in den 50er und 60er Jahren im Dienste der Mainzer Erzbischöfe, sein Bruder Philipp blieb es auch. Jedenfalls beteiligte er sich mit Mainzer Ministerialen an dem Aufstand gegen den Erzbischof Arnold von Selenhofen, eines Vertrauten Barbarossas, der 1160 zu seiner Ermordung führte. Jacob versucht die Hintergründe dafür zu rekonstruieren. Im Jahre 1163 verhängte Barbarossa danach ein Strafgericht über die Stadt Mainz, weswegen damals ihre Stadtmauern abgetragen werden mussten.
Durch welche Umstände Werner von Bolanden später (oder war er es schon vorher auch?) trotzdem in Barbarossas Diensten erscheinen konnte, ist unklar; erstmals wird er urkundlich 1165 in der Umgebung Barbarossas erwähnt. Jacob vermutet, dass der Kaiser die Unterstützung der Mainzer Ministerialen bei seiner Politik gegen das Erzbistum brauchte (S. 22).
Spätestens ab 1170 jedoch nahm Werner II. im Dienste Kaiser Barbarossas einen schnellen Aufstieg, fungierte bei fast allen Hoftagen in Worms, Mainz, Frankfurt, Kaiserslautern, Basel, Straßburg und Gelnhausen als Zeuge in kaiserlichen Urkunden an bevorzugter Stelle unter den darin genannten Ministerialen und wurde zum wichtigsten Vertreter der staufischen Politik am Mittelrhein.
In der Zeit des Mainzer Erzbischofs Christian von Buch (1165 bis 1183), der meist fern von Mainz seinen Kaiser Barbarossa in Italien begleitete und sich wenig um sein Bistum kümmerte, konnte Werner einige Mainzer Besitzungen an sich ziehen, wie Nieder-Olm, das er gegen die Münze in Ingelheim (s. u.) eintauschte, später aber wieder zurücktauschte. Dass es eine Münze in Ingelheim tatsächlich einmal gab, wird durch das Konzept einer Urkunde belegt, in der Erzbischof Konrad von Mainz alle Verluste des Dombesitzes zusammenstellt, die er zurückkaufen oder -tauschen musste, darunter auch die Münze zu Ingelheim (Stumpf, Urkunden zur Geschichte des Erzbisthums Mainz im 12. Jahrhundert, S. 114).
Im Jahre 1182 wird er in einer – allerdings strittigen – Urkunde Barbarossas zum Schutz der linksrheinischen Besitzungen des Klosters Bleidenstadt "Prokurator" genannt, genauso wie später sein Verwandter Philipp von Hohenfels unter Kaiser Friedrich II. als "Prokurator" für die Reichsgüter am Mittelrhein amtierte und wie schon sein Vater Philipp von Bolanden die Zuständigkeit auch für Ingelheim fortsetzte (Metz, S. 62). Prokuratoren waren königliche Statthalter zur Verwaltung von Reichs- und Hausgut (Jacob, S. 24). Metz sieht in solchen Stellungen als Vogt oder Prokurator erste Ansätze einer staufischen Zentralverwaltung für das Reich (S. 52).
Gislebert berichtet in seiner Hennegauer Chronik zum Pfingstfest 1184 auf der Maarau, dass bei den Verhandlungen des Grafen von Hennegau mit Barbarossa damals auf Seiten Barbarossas mitverhandelten:
1. ein Gottfried, Kanzler des kaiserlichen Hofes,
2. ein Radulf, der kaiserliche Protonatarius, und
3. ein Werner von Bolanden, ein "kaiserlicher Ministerialis"
Dabei hebt er den von Bolanden besonders hervor, indem er ihn einen "vir sapientissimus", also einen "sehr klugen Mann", nannte, der 17 eigene Burgen gehabt habe und viele Güter ("villis") und eine Lehnsmannschaft von 1.100 Rittern! Einige davon mögen auch Ingelheimer Ritter bzw. Burgmannen aus der umgebauten Pfalz gewesen sein.
In den Jahren 1184/86 begleitete Werner den Kaiser nach Italien, wo sich sein Sohn Philipp von Bolanden beim Königssohn Heinrich (VI.) aufhielt und wo dieser auch starb (nach 1187). Für das Jahr 1187 berichtet eine Kölner Chronik, dass Werner von Bolanden im Auftrag Barbarossas während des Trierer Erzbischof-Wahlstreites den Bischof Bertram von Metz mit bewaffneter Macht, also mit aufgebotenen Rittern, aus seinem Bistum vertrieben habe.
Am Kreuzzug Barbarossas 1189/90, der zu dessen Tod führte, scheint er nicht teilgenommen zu haben. Er wird aber in einem Brief an seinen Sohn Heinrich vom November 1189 genannt als Hilfe beim Eintreiben von Reichsgeldern, die dem Vater zum Kreuzzug nachgeschickt werden sollten.
In den folgenden Jahren aber, als Heinrich die Nachfolge seines Vaters Friedrich antreten musste, wird Werner nicht mehr in Urkunden erwähnt. Er scheint sich aus der Politik zurückgezogen zu haben, wie Jacob meint, und ist um 1198 gestorben.
Jacob charakterisiert ihn zusammenfassend so: "Werner II. war wohl die größte Persönlichkeit, die das Haus Bolanden hervorgebracht hat. Er hat seinen Besitz ganz beträchtlich vermehrt. Wie wir noch aus seinem Lehensbuch sehen werden, lief seine Erwerbspolitik darauf hinaus, an den Orten, wo er Güter und Anteile an den Hoheitsrechten besaß, sich weitere Besitzungen oder die noch fehlenden Hoheitsrechte, kurzum ein zusammenhängendes Territorium zu schaffen." (S. 26)
Diesbezügliche Bemühungen werden aber speziell für Ingelheim nicht besonders deutlich.
Sein Besitz nach dem ersten Lehen-Verzeichnis
Der Schwerpunkt dieses Gebietes lag in Rheinhessen und der heutigen Pfalz. Eine Zusammenstellung seiner Besitzungen und Lehen ist in seinem Lehnbuch enthalten, einer 12 Blätter starken Handschrift, die im ausgehenden 12. Jahrhundert (vermutet wird 1194 -1198) entstanden ist.
Was aber den Überblick über seine Besitzungen erschwert, ist, wie es Jacob formuliert (S. 44), "die bunte Verschiedenartigkeit seiner Güter – oft sind es Grundstücke, Äcker, Gärten und Weinberge, dann wieder Hoheitsrechte, Vogtei, Kirchenzehnten, Zollabgaben, Steuern u.s.w."
Nach dieser Aufstellung war Werner II. selbst Lehensmann von 45 Herren, und zwar u. a. des Kaisers Friedrich I., dessen Sohnes Konrad (als Herzog von Schwaben), des Herzogs Welf, der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Bischöfe von Metz, Toul, Worms und Lüttich, der Äbte von Prüm, Weißenburg und Fulda und vieler Grafen und anderer Herren. Die Zahl dieser Lehnsherren ist nach dem Urteil Jacobs ungewöhnlich groß und zeige seine herausragende Bedeutung.
Am Rhein von Bingen bis Andernach hatte er im Lehensverhältnis mehrere Rheinzölle übertragen bekommen, die hohe Erträge abwarfen und von den Handelsstädten als Raubzölle angesehen wurden, so z. B. die Burg Sterrenberg oberhalb von Kamp-Bornhofen (s.o.).
Hoheitsrechte (Gericht, Vogtei) besaß er in der Pfalz in 26 Dörfern, in Lothringen in sieben, in Rheinhessen und an der Nahe in 82 Dörfern, darunter auch solchen des Ingelheimer Grundes, an Mosel und Ahr in acht Orten und in Nassau in 13 Orten.
Hinzu kamen Kirchenlehen und Kirchenvogteien, z. B. über das Kloster Ingelheimerhausen auf dem Mainzer Berg. Die Funktion eines Kirchenvogtes (von lat. "advocatus", der vor Gericht um Hilfe Gerufene) bestand eigentlich darin, kirchliche Würdenträger in weltlichen Angelegenheiten und besonders vor Gericht zu vertreten, und war mit einem Einkommen verbunden.
Allgemein regierte und richtete ein Vogt als Vertreter eines Feudalherrschers in einem bestimmten Gebiet im Namen des Landesherrn. Er erhob Steuern und Zölle, hatte den Vorsitz im betreffenden Gericht und musste die Landesverteidigung organisieren. Im Krieg führte er das Lehensaufgebot.
Zahlreich (25) waren die Lehen, die Werner vom Reiche trug.
An deren erster Stelle wird die Vogtei über den Ingelheimer Grund genannt, mit den Dörfern Ober- und Nieder-Ingelheim, Groß-Winternheim, der Hälfte von Bubenheim, Wackernheim, Frei-Weinheim, dem Kloster Ingelheimerhausen, Daxweiler mit dem zugehörigen Wald sowie einer Münze.
Im lateinischen Wortlaut:
"Advocaciam super utrumque Ingel[n]heim et super Wintherheim, super Bubenheim in superiori platea, super Wakernheim quoque et Wigenheim, super claustrum Husen. Et meum beneficium est neminis inter Appenheim et Ingelnheim et villam Dahswilre et totum, quod adiacet silve, que vocatur Sano, ad illam curiam pertinens. Monetam in Ingelnheim."
(In der ersten Edition der Lehenbücher durch Wilhelm Sauer 1882 wurde der Name an der ersten Stelle versehentlich ohne -n- gedruckt; hier ergänzt)
Übersetzt bedeutet das:
"Die Vogtei über beide Ingelheim und über Winternheim, über Bubenheim oberhalb des Platzes, auch über Wackernheim und Weinheim, über das Kloster Hausen. Und mein Lehen zwischen Appenheim und Ingelheim gehört niemand anderem sowie das Gut Dachsweiler und alles, was an Wald dazugehört, der Soonwald genannt wird und zu jenem Hof gehört. Die Münze in Ingelheim."
Aus dieser kurzen Aufzählung über den räumlichen Zuständigkeitsbereich des Ingelheimer Vogts geht aber leider nicht hervor, welche Bedeutung diese Position z. B. für die Renovierung und den Umbau der Pfalzgebäude in staufischer Zeit hatte, welchen politischen oder finanziellen Nutzen die Bolander aus dieser Funktion ziehen konnten, welche Bedeutung die alt-ehrwürdige Ingelheimer Pfalz ganz allgemein für sie hatte. Prestige jedenfalls mochte eine Vogtei über das auch damals noch bzw. wieder berühmte karolingische Reichsgebiet einbringen.
Aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass Werner II. nicht in Ingelheim gewohnt und hier eine eigene "Burg" gehabt hat. Es gibt noch nicht einmal Hinweise darauf, dass er hier, wie z. B. in Worms (Jacob, S. 50), einen Hof besessen hat, in dem er regelmäßig absteigen konnte, falls er seine Vogtei besuchte. Größeren Grundbesitz scheint er nach Jacob, S. 62, in Ingelheim auch nicht gehabt zu haben. Fraglich ist, inwieweit er sich überhaupt persönlich um das "Ingelheimer Reich" kümmern konnte, da er meist in der Umgebung des Kaisers mitreiste, so auch während der Jahre 1184/86, als er seinen König in Italien begleitete.
Wer ihn dann hier vertrat, wissen wir nicht, man kann seine Vertreter nur unter den von ihm belehnten Personen vermuten, so z. B. unter denen "von Ingelheim", die in den Lehenbüchern mehrfach erwähnt werden (s. u.).
"Es lässt sich nicht verkennen", schreibt Metz (S. 65), "dass die Vögte auf den Krongütern noch ziemlich selbstherrlich wirtschafteten. Dieser Sachverhalt erscheint mir für die Güterverwaltung des 12. Jahrhunderts sogar durchaus kennzeichnend. Erst unter Friedrich II. kamen Abrechnungen wie die Gerhards von Sinzig zustande., die dem Königtum Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben ablegten."
Ob man mit der Bleidenstadter Urkunde von 1182 Werner II. schon als "procurator" bezeichnen möchte, hängt von der Echtheitsannahme dieser Urkunde ab, die bezweifelt wird. (Metz, S. 71) Es ist für Metz ein Mosaikstein in einem Bild, das die Entstehung von staufischen Landvogteien in den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts nachzeichnen soll – die Hauptaussage seines Buches.
Einzelheiten zu einer Vogtei erfährt man bei Westhofen/Worms (Metz, S. 64, Sauer, S. 24): "Item habeo ab imperatore advocatiam Westhoven et quartam partem decime, X. quoque mansos et redditum molendini, quod fuit Henrici de Luden." - "Ebenso habe ich vom Kaiser die Vogtei über Westhofen und ein Viertel des Zehnten, auch zehn Bauernhöfe und den Ertrag der Mühle, die Heinrich von Luden gehört hat." – Solche Detailangaben würde man sich auch für die Ingelheimer Vogtei wünschen.
An viele Personen gab Werner wiederum Güter und Einkünfte als Lehen aus, worunter wahrscheinlich hauptsächlich diejenigen Ritter und Amtleute waren, die die Verwaltung seiner Besitzungen für ihn ausführten. Welche Funktionen sie im Einzelnen hatten, lässt sich der Vermögensaufstellung mit einfacher Nennung der Namen leider nicht entnehmen.
Werner II. konnte nach Jacobs Zählung zwar über mindestens 21 Burgen bzw. Burgtürme verfügen, die von seinen Eigenleuten verwaltet wurden, im lateinischen Text "castellani", "sessores" oder "mansionarii" genannt. Militärisch besetzt waren sie mit jeweils einigen "Burgmannen" (einer bis neun), die mit Grundbesitz oder Einkünften aus Burglehen ausgestattet waren und als Ritter fungierten (Jacob, S. 75/76, Metz, S. 73 ff.).
Unter diesen Burgen wird aber die in staufischer Zeit nach den archäologischen Befunden erweiterte und burgähnlich umgebaute Ingelheimer Pfalz nicht genannt. Man muss aber davon ausgehen, dass auch in der umgebauten und erweiterten Pfalz, zumindest später, solche Burgmannen gesessen haben, jedoch nicht als Mannen der Bolander, sondern des Reiches direkt.
Metz erwägt (S. 69), dass die am Schluss des ersten Lehenbuches erwähnten Personen, die Geld bekamen, die Funktion von Burgmannen gehabt haben könnten. Dabei ordnet er Sibald und Berwelf von Winternheim offenbar (Groß-) Winternheim (bei Ingelheim) zu, nicht (Klein-) Winternheim (bei Mainz), wie Sauer es nach der deutschen Übersetzung des 14. Jahrhunderts und nach dem Textumfeld tut.
Später, im 14. und 15. Jahrhundert, beschreibt Saalwächter, BIG 14, S. 36 ff., zwei Burgsitze innerhalb des Saal, das Haus Sommerau und das Haus Weiherhaus, in dem er den Sitz der Burgmannschaft vermutet (S. 40).
Namentlich bekannt waren ihm aus Urkunden elf Ingelheimer Burgmannen aus dem Jahrhundert von 1392 bis 1482 (S. 41 – 44).
Bolandischer Eigenbesitz (Allodialbesitz) war in fast allen Orten des heutigen Rheinhessen verteilt, zudem in der heutigen Pfalz, an Mosel und Ahr, in Nassau, in der Wetterau sowie an Main und Kinzig. Die Zahl der Dörfer im Eigenbesitz ist mit 140 höher als die im Lehensbesitz (110).
In Ingelheim besaß Werner II. nach den Vermerken des ersten Güterverzeichnisses (1194-98) ein landwirtschaftliches Eigengut ("predium"), von dem er Einkünfte von 15 Schilling an einen Arnold von Winternheim vergeben hatte. Mit Winternheim ist hier wahrscheinlich wegen des Textumfeldes wieder Klein-Winternheim bei Mainz gemeint.
Unter den Gütern des ersten Güterverzeichnisses, die Werner und seine Frau Guda ihrem Sohn Philipp aus Eigenbesitz vermacht haben, waren auch die "Güter des Schultheißen von Ingelheim" ("bona sculteti de Ingelnheim") mit einem hohen Ertrag, denn sie besaßen einen Wert von 200 Mark, die größte Summe, die in diesem Zusammenhang erwähnt wird.
Diese namenlose Nennung eines "Schultheißen von Ingelheim" nimmt eine Sonderstellung inmitten der sonst stets namentlich aufgeführter Besitzer ein. Dieselbe Formulierung "scultetus de Ingelnheim" taucht auch schon an früherer Stelle des ersten Güterverzeichnisses auf, wo erwähnt wird, dass dieser in Eberbach, also im Rheingau gegenüber, einen Hof und die Hälfte eines Bauernhofes mit Wein und Feldern besaß, und zwar aus den Lehen, die Werner vom Rheingrafen im Rheingau übernommen hatte und woraus er an andere Lehen weiter vergab. Auch Metz erwähnt diesen Schultheiß und bemerkt: "ohne Vornamen", zusammen mit Schultheißen aus Nierstein und Oppenheim, ohne einen Erklärungsversuch über diese Anonymität anzufügen.
Bedeuten beide Stellen zusammen vielleicht, dass diese Lehen an eine Funktion gebunden waren und nicht an eine bestimmte Person und dass Werner selbst (oder durch einen Vertreter) diese Funktion des Schultheißen durch seine Vogtei im Ingelheimer Reichsgrund innehatte und damit ihre Einkünfte – ob von der anderen Rheinseite oder aus Ingelheim selbst – auch selbst nutzen und an seinen Sohn weitergeben konnte? Jacob und mit ihm Metz gehen von einer Art Erblichkeit der bolandischen Vogtei in Ingelheim bis zum Ende der Stauferzeit aus.
Andererseits hatte Werner II. an Ingelheimer Leute Einkommen von woanders vergeben, und zwar an einen "Werner von Ingelheim" ein jährliches Fuder Wein seines Gutes Böchingen bei Landau, nicht aus Ingelheim. Musste/durfte etwa ein in Ingelheim Amtierender Wein aus der Pfalz beziehen oder bedeutet das nicht vielmehr, dass dieser Werner von Ingelheim für den Bolander in der Landauer Gegend tätig war?
Unter den Empfängern von Geldgeschenken (nach Werners Tod?) am Ende des ersten Güterverzeichnisses wird ein "Eberhard von Ingelheim" aufgeführt, der vier Mark bekam, während ein Sibold von (nach Sauer: Klein-) Winternheim 20 Mark erhielt, ein Berwelf von Winternheim 12 Mark, ein Herold von Algesheim 22 Mark, ein Gottfried von Bubenheim zwei Mark und ein Eberhard von Hechtsheim zwei Mark.
Beide Herren "von Ingelheim", falls man diese Bezeichnung schon als Familiennamen und nicht nur als Herkunftsbezeichnung nimmt, werden in der Genealogie von Echter nicht mit aufgeführt. Ein dort erwähnter "Johannes von Ingelheim, Pfalzgraf und Ritter, Vogt der Lande am Rheinstrom, Turnierkönig 1197 im 12. Turnier zu Nürnberg und 1209 im 13. Turnier zu Worms" entstammt den frei erfundenen Turnierbeschreibungen Rüxners und passt auch von der damals möglichen Position der Familie noch gar nicht in den hochadligen Bereich, den die Bolander gerade mit Mühe erreicht hatten, als sie solche Vogteien vom König übertragen bekamen.
Unter den vielen Eigenleuten, die aus Werners Besitz belehnt worden waren, ist kein einziger Mann aus Ingelheim erwähnt. Das lässt darauf schließen, dass er keine Eigenleute im Ingelheimer Reich besaß, sondern dass hier, wie zu erwarten, nur Mannen des Reichs lebten, denn das war eine grundsätzliche Bedingung im Ingelheimer Reichsgebiet.
2. Die Zeit Werners IV., Philipps IV. von Bolanden und Philipps von Hohenfels und das zweite Lehenbuch
Werner (IV.) und Philipp sowie ihr Cousin Philipp von Hohenfels waren nach Jacob Urenkel Werners II., und zwar über ihren Vater Werner III. von Bolanden, der aus der Zeit von 1198 bis 1221 bekannt ist, "Reichstruchsess" war seit 1212, bzw. über dessen Bruder und ihren Großvater Philipp II. von Bolanden, einen Sohn Werners II., bekannt von 1172 bis 1187, der den König Heinrich, Sohn Barbarossas, in Italien begleitete und dort starb.
Werner IV. war gleichfalls "Reichstruchsess", und zwar bis 1236, ebenso wie sein Bruder Philipp, der diesen Titel 1246 bis 1253 trug und seit 1257 "Reichskämmerer" war. Dieser Philipp war Herr von Falkenstein und Begründer der Falkensteiner Linie. Verheiratet war er mit einer Isengard von Münzenberg, wodurch er eine Teil des Münzenberger Erbes im Taunus antrat und so auch "Prokurator" in der Wetterau wurde. Werners und Philipps Vater Werner III. hatte eine Hildegard von Epstein geheiratet, eine Schwester des späteren Mainzer Erzbischofs Siegfried von Epstein (1200 – 1230), der eine Serie von vier Epsteiner Erzbischöfen in Mainz eröffnete.
Unter anderem wohl durch diese verwandtschaftlichen Beziehungen, aber sicher auch aufgrund von realpolitischen Erwägungen orientierten sich die Bolander wieder mehr nach Mainz hin und lockerten zeitweise ihre Bindungen an die Staufer, vor allem in der Zeit der Kriege zwischen dem Welfen Otto und Friedrich von Schwaben.
So standen sie bei der Wahl des welfischen Gegenkönigs auf dessen Seite, wofür Werner ein ausdrückliches Anerkennungsschreiben des Papstes erhielt (Jacob, S. 29). Kurz danach wechselten sie wieder auf die Seite Philipps. Nach dessen Ermordung ging sie erneut auf die Seite des Otto (IV.) über, aber beim Erscheinen des jungen Kaisers Friedrich II. in Deutschland unterstützten sie wieder diesen König aus dem Hause der Staufer, u. a. bei der Erstürmung der Pfalz Hagenau im Elsass (Jacob, S. 31). Seit dieser Zeit führte Werner (III.) den Titel eines (Reichs-) "Truchsess", der bei den Bolandern erblich wurde.
Obwohl Werner III. nach Meinung Jacobs nicht die Bedeutung im Reich erlangte wie sein Urgroßvater Werner II., stand er doch bis zu seinem Tod etwa 1221 an exponierter Stelle in der staufischen Verwaltung. So begleitete er Friedrich (II.) auf seinem Krönungszug nach Italien und gehörte zu den Beratern des noch unmündigen Königs Heinrich VII. (Jacob S. 31).
Ihm folgte sein Sohn Werner (IV.) zusammen mit seinem Bruder Philipp. Auch Werner IV. reiste zu Kaiser Friedrich nach Italien und gehörte wie sein Vater zum Umfeld König Heinrichs VII. Jacob vermutet, dass beide Brüder den Kreuzzug Friedrichs II. nach Jerusalem mitgemacht haben. Werner gehörte in Worms zu den Zeugen der wichtigen Verfassungsurkunde Heinrichs VII. „Constitutio in favorem principum" aus dem Jahre 1232 und hielt auch zum Sohn Heinrich während des Konfliktes zwischen Vater und Sohn.
Mit dem Sturz Heinrichs war anscheinend auch die Bedeutung Werners IV. im Reich beendet, seinen Titel als Truchsess ging auf seinen Bruder Philipp von Falkenstein über. Werner IV. und sein Sohn werden später noch als Zeugen in der wichtigen Urkunde vom 19. Februar 1249 aufgeführt, durch die Wilhelm von Holland den Eid des deutschen Königs für die römische Kirche ablegt, und zwar "datum apud Engelheim", also "ausgestellt bei Ingelheim", d. h. im Belagerungsheer (?) des antistaufischen Gegenkönigs Wilhelm bei Ingelheim, unter deren Verteidigern sich andererseits ihr Vetter Philipp von Hohenfels (s. u.) befand.
Gestorben ist Werner nach Jacob im Jahre 1258.
In diese Zeit der Zerrissenheit durch Bürgerkriege gehört auch die zweijährige Amtszeit von Christian (II.) von Bolanden als Mainzer Erzbischof (1249-1251).
In diesen Jahren gewann andererseits ein Cousin Werners aus der Linie Hohenfels an Einfluss, Philipp von Hohenfels, der vom Gegenkönig Richard von Cornwall spätestens 1258 das Amt eines Prokurators am Mittelrhein mit seinen wichtigen Verkehrswegen und Zöllen übertragen bekam. Er nutzte diese Funktion anscheinend weidlich zur Selbstbereicherung aus, vor allem in Boppard und (Ober-) Wesel, so dass er für die Mainzer ein besonderer Exponent für ungerechtfertigte Raubzölle wurde.
Jacob verteidigt ihn allerdings mit dem Hinweis darauf, dass in jener Zeit viele Grafen und Herren den Versuch machten, ein geschlossenes Territorium aus ihrem Streubesitz zu machen (S. 35). Vor allem der Mainzer und Wormser Handel litten unter diesen Rheinzöllen, und deshalb gingen diese Städte 1254 dagegen vor, indem sie mit anderen Partnern den Rheinischen Städtebund gründeten.
Eine seiner ersten Aktionen bestand darin, unter Mainzer Führung eine bolandische Burg ("Castrum") in "Ingelheim" zu zerstören, wie die Annales Wormatienses und die Wormser Chronik berichten. Nach der Eroberung ist die offenbar verteidigte Burg Werners (IV.) völlig geschleift worden und durfte üblicherweise auch als "schädliches haus" nicht wieder befestigt aufgebaut werden.
Diese Ingelheimer Zollburg wird strittig an zwei Stellen vermutet:
a) in Ober-Ingelheim bei der Burgkirche oder
b) in Nieder-Ingelheim am oder im Saal.
Der letztere Standort ist zu bevorzugen; eine Zollstelle an der Straße von Mainz nach Bingen, die am Saal vorbeilief, dürfte Straßenzölle erhoben haben, eine Straße, die auch von den Aachenpilgern benutzt wurde.
Rheinzölle können von Ingelheim aus, wie Metz (S. 62/63) annimmt, schwerlich erhoben worden sein, einmal wegen der erheblichen Entfernung der Burg zum Rhein (Entfernung Saal – Frei-Weinheim etwa 5 km), vor allem aber weil damals kein nennenswerter Verkehr auf der linken Seite, also an Frei-Weinheim vorbei, getreidelt wurde. Denn der Treidelverkehr bevorzugte wegen der Nahemündung, wegen des rechtsrheinisch liegenden Binger Lochs und wegen des zum Treideln steileren und damit günstigeren Rheingauufers von Niederheimbach bis Nieder-Walluf die rechtsrheinische Route (Volk, S. 446/47).
Metz verweist darauf (S. 63), dass Werner von Bolanden auch einen Zoll auf (Transport-) Esel in Worms innegehabt habe ("der zol von den eselen zu Wormessen" in der den lateinischen Lehenbüchern beigefügten Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert, Sauer, S. 12).
Ähnliches würde auch für Ingelheim Sinn machen, denn die Instandhaltung der Straße vom Mainzer Berg herab, mit ihrem beträchtlichen Gefälle, die bis heute bei Unwettern häufigen Überspülungen vom Abhang des Mainzer Berges her ausgesetzt ist, dürfte durchaus einige Kosten verursacht haben.
In dem zweiten Bolander Lehenbuch aus der Mitte des 13. Jahrhunderts werden in anderer Systematik nur diejenigen Männer aufgezählt, die von Werner IV. und seinem Bruder Philipp IV. von Bolanden belehnt waren (Jacob, S. 65/66). Dadurch wird indirekt weiterer Bolandischer Eigen- oder Lehens-Besitz ohne Unterscheidung beider Rechtsformen im Ingelheimer Grund erwähnt, aus dem diese Lehen stammten. Ob die damit Belehnten dafür Dienste im Ingelheimer Grund selbst taten oder als Ritter einfach nur Einnahmen auch aus Ingelheim zugewiesen bekommen hatten, ist unklar.
Die vermuteten Burgmannen der Ingelheimer Pfalz dürften vom Reich selbst belehnt worden seien.
- Item Hartungus Frix habet talentum denar. in Ingelheim inferiori et in superiori carratam vini. (S. 41) Ebenso hat Hartung Frix eine Mark Groschen in Nieder-Ingelheim und in Ober-Ingelheim ein Fuder Wein. Seine Herkunft ist unbekannt; die Personen in seinem Textumfeld stammten aus dem Naheraum und aus der Pfalz, nicht aus Ingelheim selbst.
- Item Heinricus et filii sororis sue habent in Wihenheim bona et in Ingelheim curiam et pistrinum in foro. (S. 43) Ebenso haben Heinrich und die Söhne seiner Schwester in Weinheim [Frei-Weinheim?] Güter und in Ingelheim einen Hof und eine Stampfmühle "am Markt" (in Ober-Ingelheim).
Dieser Heinrich und sein Neffe werden mit einigen anderen Männern ohne eigenen Herkunftsort inmitten von anderen erwähnt, die aus (Ober- bzw. Nieder-) Olm stammten, was darauf hindeutet, dass sie keine Ingelheimer, sondern möglicherweise auch Männer aus Olm waren.
- Item filii Bertorni in Hubenheim habent curiam in superiori Ingelnheim et vineas sitas in Ossohofen et IIII amas vini ad censum. (S. 43) Ebenso haben die Söhne des Bertornus in Laubenheim (?) einen Hof in Ober-Ingelheim und Weinberge in Osthofen und 4 Eimer Wein zum Zensus. Die Gleichsetzung von "Hubenheim" mit Laubenheim bei Mainz ist auch für Sauer (Anm. 49: "vielleicht Laubenheim") unsicher.
- Item Wilhelmus de Winterouwen quicquid habet in Ingelnheim inferiori. (S. 45) Ebenso Wilhelm von Winteraue, alles was er in Nieder-Ingelheim hat. Ein Wilhelm von Winterouwen (Winteraue) wird als Verwandter eines Siegfried von Frauenstein im April 1260 erwähnt, der, da kinderlos, vor einer Pilgerreise seine Güter verschiedenen Klöstern im Rheingau schenkt. Er scheint sowohl im Rheingau als auch gegenüber Güter gehabt zu haben. Die von Winteraue sind als Vögte in Heidesheim bekannt, nach dessen Burg "Windeck" sie sich, die ursprünglich aus "Winternheim" stammten, "von Winteraue" nannten. Die Burg, eine romanische Fliehburg, besaß um 1209 ein Ritter Herdegen von (Klein-) Winternheim, wahrscheinlich derselbe, der die Gelder am Ende des ersten bolandischen Verzeichnisses verteilt hat.
Aus dem 14. Jahrhundert beschreibt Saalwächter, BIG 14, S. 36 ff., einen Burgsitz "Sommerau" ("Sumerowe") im Ingelheimer Saal eines Werners von Winterau (aus Heidesheim). Er war mit Grundbesitz im Bereich der Saalmühle verbunden.
- Item Embercho dictus Ruze decimam, quam habet in Algesheim et quicquid habet in censibus in Ingelheim. (S. 45) Ebenso Embricho, genannt Ruze (rus = mhdt: "Bengel, Flegel") den Zehnten, den er hat in (Gau-) Algesheim und alles was er hat vom Zehnten in Ingelheim.
- Item Wilhelmus de Wintherouwe habet VI. iornales et quosdam domos ante Ingelheim et apud Eberbach duo iugera et in Kedercha duo iugera. (S. 46) Ebenso hat Wilhelm von Winteraue 6 Tagwerke und einige Häuser vor Ingelheim und bei Eberbach zwei Joch und in Kiedrich zwei Joch."Vor Ingelheim" könnte hier bedeuten: zwischen Heidesheim und Ingelheim (s. o. unter d).
- Item Embercho de Flanheim habet II. uncias in areis aput Ingelheim. (S. 47) Ebenso Embercho von Flonheim hat zwei Unzien im Gebiet bei Ingelheim.
- Item filius procuratrice (sic!) de Ingelheim. (S. 48) Ebenso der Sohn der Prokuratorin von Ingelheim [hat etwas in diesem Dorf selbst]. Eine etwas unklare Feststellung. Eine "procuratrix", die weibliche Form von "procurator", war eigentlich eine "Schaffnerin". Stammte sie aus der Familie derer "von Ingelheim" oder war sie für etwas in Ingelheim zuständig, z. B. für das Kloster Ingelheimerhausen auf dem Mainzer Berg, das in der Vogteiaufzählung erwähnt wurde, oder für Engelthal in Ober-Ingelheim, das anfangs des 13. Jahrhunderts gegründet worden war? Im Zusammenhang mit Klöstern kommt der Begriff hauptsächlich vor. Metz (S. 63) will freilich darunter die Gattin des "Prokurators" Philipp von Hohenfels verstehen.
Aus dem Jahre 1265 ist schließlich eine Schenkung von Weineinkünften in Ingelheim durch Philipp und Werner von Falkenstein an den Abt des Klosters Eberbach bekannt (Jacob, S. 83 mit Anm. 12).
Insgesamt erfahren wir aus den Lehenbüchern von nicht viel Besitz der Bolander in Ingelheim, auch wenn man dabei berücksichtigen muss, dass in diesem Verzeichnis nicht alle tatsächlichen Besitzungen aufgeführt sind, sondern nur solche, deren Erträge an andere weitergegeben wurden.
Man muss aber wohl schließen, dass die Hauptquelle bolandischer Macht und bolandischen Einkommens im Ingelheimer Reichsgrund nicht in eigenem oder in Lehensbesitz lag, sondern in der Vogteiposition.
Die Erkenntnisse dazu lassen sich eigentlich fast nur in negativen Feststellungen formulieren:
1. Wir wissen nichts über die Einzelheiten der Vogtei-Ausübung und ihre Bedeutung für Ingelheim.
2. Insbesondere wissen wir nichts über die Rolle, die Werner II. und seine Nachfolger bei dem Umbau der alten Pfalzanlage zur Burg gespielt haben könnten.
3. Wir kennen keine Burgmannen aus Ingelheim, die den Bolandern unterstellt waren.
4. Werner II. hat hier wahrscheinlich keine Eigenleute gehabt.
5. Er hat hier anscheinend auch nur wenig Grundbesitz gehabt.
6. Wir wissen zu wenig über den Verlauf der Belagerung der Reichsburg Ingelheim 1249.
7. Und wir wissen so gut wie nichts über die Bolander Zollburg, die 1254 in „Ingelheim" vom Rheinischen Städtebund zerstört worden ist.